Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

noch geht' dachte die Müllerstochter, und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, und versprach dem Männchen was es verlangte; dafür spann das Männchen noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam, und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.

Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zu Welt, und dachte gar nicht mehr an das Männchen, da trat es in ihre Kammer und sprach 'nun gieb mir was du versprochen hast.' Die Königin erschrak, und bot dem Männchen alle Reichthümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach 'nein, etwas lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.' Da fieng die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß das Männchen Mitleiden mit ihr hatte, und sprach 'drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.'

Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Männchen kam, fieng sie an mit Caspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein 'so heiß ich nicht.' Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb dabei 'so heiß ich nicht.' Den dritten Tag kam der

noch geht’ dachte die Müllerstochter, und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, und versprach dem Männchen was es verlangte; dafür spann das Männchen noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam, und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.

Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zu Welt, und dachte gar nicht mehr an das Männchen, da trat es in ihre Kammer und sprach ‘nun gieb mir was du versprochen hast.’ Die Königin erschrak, und bot dem Männchen alle Reichthümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach ‘nein, etwas lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.’ Da fieng die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß das Männchen Mitleiden mit ihr hatte, und sprach ‘drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.’

Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Männchen kam, fieng sie an mit Caspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein ‘so heiß ich nicht.’ Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb dabei ‘so heiß ich nicht.’ Den dritten Tag kam der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0368" n="330"/>
noch geht&#x2019; dachte die Müllerstochter, und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, und versprach dem Männchen was es verlangte; dafür spann das Männchen noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam, und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.</p><lb/>
        <p>Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zu Welt, und dachte gar nicht mehr an das Männchen, da trat es in ihre Kammer und sprach &#x2018;nun gieb mir was du versprochen hast.&#x2019; Die Königin erschrak, und bot dem Männchen alle Reichthümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach &#x2018;nein, etwas lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.&#x2019; Da fieng die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß das Männchen Mitleiden mit ihr hatte, und sprach &#x2018;drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Männchen kam, fieng sie an mit Caspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein &#x2018;so heiß ich nicht.&#x2019; Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb dabei &#x2018;so heiß ich nicht.&#x2019; Den dritten Tag kam der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0368] noch geht’ dachte die Müllerstochter, und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen, und versprach dem Männchen was es verlangte; dafür spann das Männchen noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam, und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin. Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zu Welt, und dachte gar nicht mehr an das Männchen, da trat es in ihre Kammer und sprach ‘nun gieb mir was du versprochen hast.’ Die Königin erschrak, und bot dem Männchen alle Reichthümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach ‘nein, etwas lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.’ Da fieng die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß das Männchen Mitleiden mit ihr hatte, und sprach ‘drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.’ Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Männchen kam, fieng sie an mit Caspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein ‘so heiß ich nicht.’ Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb dabei ‘so heiß ich nicht.’ Den dritten Tag kam der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/368
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/368>, abgerufen am 29.04.2024.