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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

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sprachen 'gib uns auch etwas davon.' 'Gerne' sprach es, theilte sein Stückchen Brot entzwei und gab ihnen die Hälfte. Sie fragten 'was willst du zur Winterzeit in deinem dünnen Kleidchen hier im Wald?' 'Ach,' antwortete es, 'ich soll ein Körbchen voll Erdbeeren suchen, und darf nicht eher nach Hause kommen als bis ich es mitbringe.' Als es sein Brot gegessen hatte, gaben sie ihm einen Besen und sprachen 'kehre damit an der Hinterthüre den Schnee weg.' Wie es aber draußen war, sprachen die drei Männerchen untereinander 'was sollen wir ihm schenken, weil es so artig und gut ist und sein Brot mit uns getheilt hat?' Da sagte der erste 'ich schenk ihm daß es jeden Tag schöner wird.' Der zweite sprach 'ich schenk ihm daß Goldstücke ihm aus dem Mund fallen, so oft es ein Wort spricht.' Der dritte sprach 'ich schenk ihm daß ein König kommt und es zu seiner Gemahlin nimmt.'

Das Mädchen aber that wie die Haulemännerchen gesagt hatten, kehrte mit dem Besen den Schnee hinter dem kleinen Hause weg, und was glaubt ihr wohl daß es gefunden hat? lauter reife Erdbeeren, die ganz dunkelroth aus dem Schnee hervor kamen. Da raffte es in seiner Freude sein Körbchen voll, dankte den kleinen Männern, gab jedem die Hand und lief nach Haus, und wollte der Stiefmutter das Verlangte bringen. Wie es eintrat und 'guten Abend' sagte, fiel ihm gleich ein Goldstück aus dem Mund. Darauf erzählte es was ihm im Walde begegnet war, aber bei jedem Worte, das es sprach, fielen ihm die Goldstücke aus dem Mund, so daß bald die ganze Stube damit bedeckt ward. 'Nun sehe einer den Übermuth,' rief die Stiefschwester, 'das Geld so hinzuwerfen,' aber heimlich war sie neidisch darüber und wollte auch hinaus in den Wald und Erdbeeren suchen. Die Mutter: 'nein, mein liebes Töchterchen, es ist zu kalt, du könntest mir erfrieren.' Weil sie ihr aber keine Ruhe ließ, gab sie endlich nach,

sprachen ‘gib uns auch etwas davon.’ ‘Gerne’ sprach es, theilte sein Stückchen Brot entzwei und gab ihnen die Hälfte. Sie fragten ‘was willst du zur Winterzeit in deinem dünnen Kleidchen hier im Wald?’ ‘Ach,’ antwortete es, ‘ich soll ein Körbchen voll Erdbeeren suchen, und darf nicht eher nach Hause kommen als bis ich es mitbringe.’ Als es sein Brot gegessen hatte, gaben sie ihm einen Besen und sprachen ‘kehre damit an der Hinterthüre den Schnee weg.’ Wie es aber draußen war, sprachen die drei Männerchen untereinander ‘was sollen wir ihm schenken, weil es so artig und gut ist und sein Brot mit uns getheilt hat?’ Da sagte der erste ‘ich schenk ihm daß es jeden Tag schöner wird.’ Der zweite sprach ‘ich schenk ihm daß Goldstücke ihm aus dem Mund fallen, so oft es ein Wort spricht.’ Der dritte sprach ‘ich schenk ihm daß ein König kommt und es zu seiner Gemahlin nimmt.’

Das Mädchen aber that wie die Haulemännerchen gesagt hatten, kehrte mit dem Besen den Schnee hinter dem kleinen Hause weg, und was glaubt ihr wohl daß es gefunden hat? lauter reife Erdbeeren, die ganz dunkelroth aus dem Schnee hervor kamen. Da raffte es in seiner Freude sein Körbchen voll, dankte den kleinen Männern, gab jedem die Hand und lief nach Haus, und wollte der Stiefmutter das Verlangte bringen. Wie es eintrat und ‘guten Abend’ sagte, fiel ihm gleich ein Goldstück aus dem Mund. Darauf erzählte es was ihm im Walde begegnet war, aber bei jedem Worte, das es sprach, fielen ihm die Goldstücke aus dem Mund, so daß bald die ganze Stube damit bedeckt ward. ‘Nun sehe einer den Übermuth,’ rief die Stiefschwester, ‘das Geld so hinzuwerfen,’ aber heimlich war sie neidisch darüber und wollte auch hinaus in den Wald und Erdbeeren suchen. Die Mutter: ‘nein, mein liebes Töchterchen, es ist zu kalt, du könntest mir erfrieren.’ Weil sie ihr aber keine Ruhe ließ, gab sie endlich nach,

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[72/0105] sprachen ‘gib uns auch etwas davon.’ ‘Gerne’ sprach es, theilte sein Stückchen Brot entzwei und gab ihnen die Hälfte. Sie fragten ‘was willst du zur Winterzeit in deinem dünnen Kleidchen hier im Wald?’ ‘Ach,’ antwortete es, ‘ich soll ein Körbchen voll Erdbeeren suchen, und darf nicht eher nach Hause kommen als bis ich es mitbringe.’ Als es sein Brot gegessen hatte, gaben sie ihm einen Besen und sprachen ‘kehre damit an der Hinterthüre den Schnee weg.’ Wie es aber draußen war, sprachen die drei Männerchen untereinander ‘was sollen wir ihm schenken, weil es so artig und gut ist und sein Brot mit uns getheilt hat?’ Da sagte der erste ‘ich schenk ihm daß es jeden Tag schöner wird.’ Der zweite sprach ‘ich schenk ihm daß Goldstücke ihm aus dem Mund fallen, so oft es ein Wort spricht.’ Der dritte sprach ‘ich schenk ihm daß ein König kommt und es zu seiner Gemahlin nimmt.’ Das Mädchen aber that wie die Haulemännerchen gesagt hatten, kehrte mit dem Besen den Schnee hinter dem kleinen Hause weg, und was glaubt ihr wohl daß es gefunden hat? lauter reife Erdbeeren, die ganz dunkelroth aus dem Schnee hervor kamen. Da raffte es in seiner Freude sein Körbchen voll, dankte den kleinen Männern, gab jedem die Hand und lief nach Haus, und wollte der Stiefmutter das Verlangte bringen. Wie es eintrat und ‘guten Abend’ sagte, fiel ihm gleich ein Goldstück aus dem Mund. Darauf erzählte es was ihm im Walde begegnet war, aber bei jedem Worte, das es sprach, fielen ihm die Goldstücke aus dem Mund, so daß bald die ganze Stube damit bedeckt ward. ‘Nun sehe einer den Übermuth,’ rief die Stiefschwester, ‘das Geld so hinzuwerfen,’ aber heimlich war sie neidisch darüber und wollte auch hinaus in den Wald und Erdbeeren suchen. Die Mutter: ‘nein, mein liebes Töchterchen, es ist zu kalt, du könntest mir erfrieren.’ Weil sie ihr aber keine Ruhe ließ, gab sie endlich nach,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/105>, abgerufen am 27.04.2024.