Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

und lief mit hinaus. Als nun der Soldat geges-
sen hatte und das Mädchen das Geräth aufheben
und den Schrank zuschließen wollte, da sah sie
wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzu-
heben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es er-
schrocken zu seinem Schatz: "ach! was will ich
armes Mädchen anfangen! Die Hand ist fort,
das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird
mir's morgen früh ergehen!" Da sprach er: "sey
still, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein
scharfes Messer; es hängt ein Dieb am Galgen,
dem will ich die Hand abschneiden, welche Hand
war's denn?" -- "Die rechte." Da gab ihm
das Mädchen ein scharf Messer und er ging hin,
schnitt dem armen Sünder die rechte Hand ab,
und brachte sie. Darauf packte er die Katze und
stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das
Herz. "Habt ihr nicht geschlachtet und Schwei-
nefleisch im Keller?" "Ja," sagte das Mädchen.
"Nun das ist gut," sagte der Soldat, ging hinun-
ter und holte ein Schweineherz und gab's dem
Mädchen. Das that alles wieder auf den Teller
und stellte es in den Schrank, und als ihr Liebster
darauf Abschied genommen hatte, legte es sich
ruhig ins Bett.

Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sag-
ten sie dem Mädchen, es sollte ihnen den Teller
holen, darauf Hand, Herz und Augen lägen. Da
brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste

und lief mit hinaus. Als nun der Soldat gegeſ-
ſen hatte und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben
und den Schrank zuſchließen wollte, da ſah ſie
wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzu-
heben gegeben hatte, ledig war. Da ſagte es er-
ſchrocken zu ſeinem Schatz: „ach! was will ich
armes Maͤdchen anfangen! Die Hand iſt fort,
das Herz und die Augen ſind auch fort, wie wird
mir’s morgen fruͤh ergehen!“ Da ſprach er: „ſey
ſtill, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein
ſcharfes Meſſer; es haͤngt ein Dieb am Galgen,
dem will ich die Hand abſchneiden, welche Hand
war’s denn?“ — „Die rechte.“ Da gab ihm
das Maͤdchen ein ſcharf Meſſer und er ging hin,
ſchnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab,
und brachte ſie. Darauf packte er die Katze und
ſtach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das
Herz. „Habt ihr nicht geſchlachtet und Schwei-
nefleiſch im Keller?“ „Ja,“ ſagte das Maͤdchen.
„Nun das iſt gut,“ ſagte der Soldat, ging hinun-
ter und holte ein Schweineherz und gab’s dem
Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller
und ſtellte es in den Schrank, und als ihr Liebſter
darauf Abſchied genommen hatte, legte es ſich
ruhig ins Bett.

Morgens, als die Feldſcherer aufſtanden, ſag-
ten ſie dem Maͤdchen, es ſollte ihnen den Teller
holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da
brachte es ihn aus dem Schrank, und der erſte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="174"/>
und lief mit hinaus. Als nun der Soldat gege&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en hatte und das Ma&#x0364;dchen das Gera&#x0364;th aufheben<lb/>
und den Schrank zu&#x017F;chließen wollte, da &#x017F;ah &#x017F;ie<lb/>
wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzu-<lb/>
heben gegeben hatte, ledig war. Da &#x017F;agte es er-<lb/>
&#x017F;chrocken zu &#x017F;einem Schatz: &#x201E;ach! was will ich<lb/>
armes Ma&#x0364;dchen anfangen! Die Hand i&#x017F;t fort,<lb/>
das Herz und die Augen &#x017F;ind auch fort, wie wird<lb/>
mir&#x2019;s morgen fru&#x0364;h ergehen!&#x201C; Da &#x017F;prach er: &#x201E;&#x017F;ey<lb/>
&#x017F;till, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein<lb/>
&#x017F;charfes Me&#x017F;&#x017F;er; es ha&#x0364;ngt ein Dieb am Galgen,<lb/>
dem will ich die Hand ab&#x017F;chneiden, welche Hand<lb/>
war&#x2019;s denn?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Die rechte.&#x201C; Da gab ihm<lb/>
das Ma&#x0364;dchen ein &#x017F;charf Me&#x017F;&#x017F;er und er ging hin,<lb/>
&#x017F;chnitt dem armen Su&#x0364;nder die rechte Hand ab,<lb/>
und brachte &#x017F;ie. Darauf packte er die Katze und<lb/>
&#x017F;tach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das<lb/>
Herz. &#x201E;Habt ihr nicht ge&#x017F;chlachtet und Schwei-<lb/>
neflei&#x017F;ch im Keller?&#x201C; &#x201E;Ja,&#x201C; &#x017F;agte das Ma&#x0364;dchen.<lb/>
&#x201E;Nun das i&#x017F;t gut,&#x201C; &#x017F;agte der Soldat, ging hinun-<lb/>
ter und holte ein Schweineherz und gab&#x2019;s dem<lb/>
Ma&#x0364;dchen. Das that alles wieder auf den Teller<lb/>
und &#x017F;tellte es in den Schrank, und als ihr Lieb&#x017F;ter<lb/>
darauf Ab&#x017F;chied genommen hatte, legte es &#x017F;ich<lb/>
ruhig ins Bett.</p><lb/>
        <p>Morgens, als die Feld&#x017F;cherer auf&#x017F;tanden, &#x017F;ag-<lb/>
ten &#x017F;ie dem Ma&#x0364;dchen, es &#x017F;ollte ihnen den Teller<lb/>
holen, darauf Hand, Herz und Augen la&#x0364;gen. Da<lb/>
brachte es ihn aus dem Schrank, und der er&#x017F;te<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0195] und lief mit hinaus. Als nun der Soldat gegeſ- ſen hatte und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuſchließen wollte, da ſah ſie wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzu- heben gegeben hatte, ledig war. Da ſagte es er- ſchrocken zu ſeinem Schatz: „ach! was will ich armes Maͤdchen anfangen! Die Hand iſt fort, das Herz und die Augen ſind auch fort, wie wird mir’s morgen fruͤh ergehen!“ Da ſprach er: „ſey ſtill, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein ſcharfes Meſſer; es haͤngt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abſchneiden, welche Hand war’s denn?“ — „Die rechte.“ Da gab ihm das Maͤdchen ein ſcharf Meſſer und er ging hin, ſchnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab, und brachte ſie. Darauf packte er die Katze und ſtach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. „Habt ihr nicht geſchlachtet und Schwei- nefleiſch im Keller?“ „Ja,“ ſagte das Maͤdchen. „Nun das iſt gut,“ ſagte der Soldat, ging hinun- ter und holte ein Schweineherz und gab’s dem Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller und ſtellte es in den Schrank, und als ihr Liebſter darauf Abſchied genommen hatte, legte es ſich ruhig ins Bett. Morgens, als die Feldſcherer aufſtanden, ſag- ten ſie dem Maͤdchen, es ſollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erſte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/195
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/195>, abgerufen am 27.04.2024.