Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

hätte er noch nicht gesehen, er wollt' sie bei Jedermann rühmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.

Wie sie so dahin gingen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin, schnüffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zurückhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Dreck lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern: "Camerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leit' mich doch einer, daß ich nicht falle." Da gingen sie mit Mühe fort bis zum Abend und sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zählte Geld. Der mit der Diebshand ging um ihn herum, zuckt' ein paarmal, endlich wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sah's und sprach: "Camerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schäm' dich!" "Ei, sagte er, was kann ich dafür, es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht." Sie legten sich darnach schlafen, wie sie da liegen, ist's so finster, daß man keine Hand vor den Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach: "Brüder, schaut einmal auf, seht ihr die weißen Mäuschen, die da herumlaufen?" Die zwei richteten sich auf, konnten aber nichts sehen. Da sprach er: "es ist mit uns nicht richtig, wir haben das Unsrige

haͤtte er noch nicht gesehen, er wollt’ sie bei Jedermann ruͤhmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.

Wie sie so dahin gingen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin, schnuͤffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zuruͤckhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Dreck lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern: „Camerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leit’ mich doch einer, daß ich nicht falle.“ Da gingen sie mit Muͤhe fort bis zum Abend und sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zaͤhlte Geld. Der mit der Diebshand ging um ihn herum, zuckt’ ein paarmal, endlich wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sah’s und sprach: „Camerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schaͤm’ dich!“ „Ei, sagte er, was kann ich dafuͤr, es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.“ Sie legten sich darnach schlafen, wie sie da liegen, ist’s so finster, daß man keine Hand vor den Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach: „Bruͤder, schaut einmal auf, seht ihr die weißen Maͤuschen, die da herumlaufen?“ Die zwei richteten sich auf, konnten aber nichts sehen. Da sprach er: „es ist mit uns nicht richtig, wir haben das Unsrige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0233" n="155"/>
ha&#x0364;tte er noch nicht gesehen, er wollt&#x2019; sie bei Jedermann ru&#x0364;hmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.</p><lb/>
        <p>Wie sie so dahin gingen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin, schnu&#x0364;ffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zuru&#x0364;ckhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Dreck lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern: &#x201E;Camerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leit&#x2019; mich doch <choice><sic>eines</sic><corr type="corrigenda">einer</corr></choice>, daß ich nicht falle.&#x201C; Da gingen sie mit Mu&#x0364;he fort bis zum Abend und sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und za&#x0364;hlte Geld. Der mit der Diebshand ging um ihn herum, zuckt&#x2019; ein paarmal, endlich wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sah&#x2019;s und sprach: &#x201E;Camerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, scha&#x0364;m&#x2019; dich!&#x201C; &#x201E;Ei, sagte er, was kann ich dafu&#x0364;r, es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.&#x201C; Sie legten sich darnach schlafen, wie sie da liegen, ist&#x2019;s so finster, daß man keine Hand vor den Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach: &#x201E;Bru&#x0364;der, schaut einmal auf, seht ihr die weißen Ma&#x0364;uschen, die da herumlaufen?&#x201C; Die zwei richteten sich auf, konnten aber nichts sehen. Da sprach er: &#x201E;es ist mit uns nicht richtig, wir haben das Unsrige
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0233] haͤtte er noch nicht gesehen, er wollt’ sie bei Jedermann ruͤhmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter. Wie sie so dahin gingen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin, schnuͤffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zuruͤckhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Dreck lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern: „Camerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leit’ mich doch einer, daß ich nicht falle.“ Da gingen sie mit Muͤhe fort bis zum Abend und sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zaͤhlte Geld. Der mit der Diebshand ging um ihn herum, zuckt’ ein paarmal, endlich wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sah’s und sprach: „Camerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schaͤm’ dich!“ „Ei, sagte er, was kann ich dafuͤr, es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.“ Sie legten sich darnach schlafen, wie sie da liegen, ist’s so finster, daß man keine Hand vor den Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach: „Bruͤder, schaut einmal auf, seht ihr die weißen Maͤuschen, die da herumlaufen?“ Die zwei richteten sich auf, konnten aber nichts sehen. Da sprach er: „es ist mit uns nicht richtig, wir haben das Unsrige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/233
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/233>, abgerufen am 03.05.2024.