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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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rechte, und den sollten sie einlassen, wer aber daneben käme, der wär' der rechte nicht und den sollten sie auch nicht einlassen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der älteste, er wollte sich eilen, zur Königstochter gehen und sich für ihren Erlöser ausgeben, da bekäm er sie zur Gemahlin und das Reich dabei. Also ritt er fort; als er vor das Schloß kam und die schöne goldene Straße sah, dachte er: "ei, das wäre jammerschade, wenn du darauf rittest," lenkte ab und ritt rechts nebenher. Wie er aber vor's Thor kam, sagten die Leute zu ihm, er wär' der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf, wie der zur goldenen Straße kam und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte, dachte er: "ei! es wäre jammerschade, das könnte etwas abtreten," lenkte ab und ritt links nebenher. Wie er aber vor's Thor kam, sagten die Leute, er wär' der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten und bei ihr sein Leid vergessen. Also machte er sich auf und dachte immer an sie und wär' gern schon bei ihr gewesen und sah die goldene Straße gar nicht. Da ritt sein Pferd mitten darüber hin und als er vor's Thor kam, ward es aufgethan und die Königstochter empfing ihn mit Freuden, und sagte, er wär' ihr Erlöser und der Herr des Königsreichs, und ward die Hochzeit gehalten mit großer Glückseligkeit. Und als sie vorbei war, erzählte sie ihm, daß ihn sein Vater habe zu sich entboten und ihm verziehen. Da ritt er hin und sagte ihm alles, wie seine Brüder ihn betrogen, und er doch dazu geschwiegen

rechte, und den sollten sie einlassen, wer aber daneben kaͤme, der waͤr’ der rechte nicht und den sollten sie auch nicht einlassen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der aͤlteste, er wollte sich eilen, zur Koͤnigstochter gehen und sich fuͤr ihren Erloͤser ausgeben, da bekaͤm er sie zur Gemahlin und das Reich dabei. Also ritt er fort; als er vor das Schloß kam und die schoͤne goldene Straße sah, dachte er: „ei, das waͤre jammerschade, wenn du darauf rittest,“ lenkte ab und ritt rechts nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute zu ihm, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf, wie der zur goldenen Straße kam und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte, dachte er: „ei! es waͤre jammerschade, das koͤnnte etwas abtreten,“ lenkte ab und ritt links nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten und bei ihr sein Leid vergessen. Also machte er sich auf und dachte immer an sie und waͤr’ gern schon bei ihr gewesen und sah die goldene Straße gar nicht. Da ritt sein Pferd mitten daruͤber hin und als er vor’s Thor kam, ward es aufgethan und die Koͤnigstochter empfing ihn mit Freuden, und sagte, er waͤr’ ihr Erloͤser und der Herr des Koͤnigsreichs, und ward die Hochzeit gehalten mit großer Gluͤckseligkeit. Und als sie vorbei war, erzaͤhlte sie ihm, daß ihn sein Vater habe zu sich entboten und ihm verziehen. Da ritt er hin und sagte ihm alles, wie seine Bruͤder ihn betrogen, und er doch dazu geschwiegen

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[75/0153] rechte, und den sollten sie einlassen, wer aber daneben kaͤme, der waͤr’ der rechte nicht und den sollten sie auch nicht einlassen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der aͤlteste, er wollte sich eilen, zur Koͤnigstochter gehen und sich fuͤr ihren Erloͤser ausgeben, da bekaͤm er sie zur Gemahlin und das Reich dabei. Also ritt er fort; als er vor das Schloß kam und die schoͤne goldene Straße sah, dachte er: „ei, das waͤre jammerschade, wenn du darauf rittest,“ lenkte ab und ritt rechts nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute zu ihm, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf, wie der zur goldenen Straße kam und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte, dachte er: „ei! es waͤre jammerschade, das koͤnnte etwas abtreten,“ lenkte ab und ritt links nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten und bei ihr sein Leid vergessen. Also machte er sich auf und dachte immer an sie und waͤr’ gern schon bei ihr gewesen und sah die goldene Straße gar nicht. Da ritt sein Pferd mitten daruͤber hin und als er vor’s Thor kam, ward es aufgethan und die Koͤnigstochter empfing ihn mit Freuden, und sagte, er waͤr’ ihr Erloͤser und der Herr des Koͤnigsreichs, und ward die Hochzeit gehalten mit großer Gluͤckseligkeit. Und als sie vorbei war, erzaͤhlte sie ihm, daß ihn sein Vater habe zu sich entboten und ihm verziehen. Da ritt er hin und sagte ihm alles, wie seine Bruͤder ihn betrogen, und er doch dazu geschwiegen

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/153>, abgerufen am 04.05.2024.