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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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der drei Feldscherer und lief damit hinaus. Als nun der Soldat gegessen hatte und das Mädchen das Geräth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah sie wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz: "ach! was will ich armes Mädchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mir's morgen früh ergehen!" Da sprach er: "sey still, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein scharfes Messer; es hängt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden, welche Hand war's denn?" -- "Die rechte." Da gab ihm das Mädchen ein scharf Messer und er ging hin, schnitt dem armen Sünder die rechte Hand ab, und brachte sie. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. "Habt ihr nicht geschlachtet und Schweinefleisch im Keller?" "Ja," sagte das Mädchen. "Nun, das ist gut," sagte der Soldat, ging hinunter und holte ein Schweineherz und gab's dem Mädchen. Das that alles wieder auf den Teller und stellte es in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett.

Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Mädchen, es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen lägen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an, bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein; der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte, dergleichen

der drei Feldscherer und lief damit hinaus. Als nun der Soldat gegessen hatte und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah sie wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz: „ach! was will ich armes Maͤdchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mir’s morgen fruͤh ergehen!“ Da sprach er: „sey still, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein scharfes Messer; es haͤngt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden, welche Hand war’s denn?“ — „Die rechte.“ Da gab ihm das Maͤdchen ein scharf Messer und er ging hin, schnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab, und brachte sie. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. „Habt ihr nicht geschlachtet und Schweinefleisch im Keller?“ „Ja,“ sagte das Maͤdchen. „Nun, das ist gut,“ sagte der Soldat, ging hinunter und holte ein Schweineherz und gab’s dem Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller und stellte es in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett.

Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Maͤdchen, es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an, bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein; der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte, dergleichen

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[154/0232] der drei Feldscherer und lief damit hinaus. Als nun der Soldat gegessen hatte und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah sie wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz: „ach! was will ich armes Maͤdchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mir’s morgen fruͤh ergehen!“ Da sprach er: „sey still, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein scharfes Messer; es haͤngt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden, welche Hand war’s denn?“ — „Die rechte.“ Da gab ihm das Maͤdchen ein scharf Messer und er ging hin, schnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab, und brachte sie. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. „Habt ihr nicht geschlachtet und Schweinefleisch im Keller?“ „Ja,“ sagte das Maͤdchen. „Nun, das ist gut,“ sagte der Soldat, ging hinunter und holte ein Schweineherz und gab’s dem Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller und stellte es in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett. Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Maͤdchen, es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an, bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein; der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte, dergleichen

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/232>, abgerufen am 27.04.2024.