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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich: "komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stühlchen und wärm dich, ich will dir klar Wässerchen holen, wenn du Durst hast; zu essen aber hab ich hier im Walde nichts für dich, als ein paar Würzelcher, die mußt du dir erst schaben und kochen." Da reichte ihm der heil. Joseph die Wurzeln; das Mädchen schrappte sie säuberlich ab, dann holte es ein Stückchen Pfannkuchen und das Brot das ihm seine Mutter mitgegeben hatte, und that alles zusammen in einem Kesselchen bei's Feuer und kochte sich ein Mus. Als das fertig war, sprach der heil. Joseph: "ich bin so hungrig, gib mir etwas von deinem Essen." Da gab ihm das Kind gleich und gab ihm mehr als es für sich behielt, doch war Gottes Seegen dabei, daß es satt wurde. Als sie nun gegessen hatten, sprach der heil. Joseph: "nun wollen wir zu Bett gehen, ich habe aber nur ein Bett, leg du dich hinein, ich will mich ins Stroh auf die Erde legen." "Nein, antwortete es, bleib du nur in deinem Bett, für mich ist das Stroh weich genug." Der heil. Joseph aber nahm das Kind auf den Arm und trug es ins Bettchen, da that es sein Gebet und schlief ein. Am andern Morgen als es aufwachte, wollte es dem heil. Joseph guten Morgen sagen, aber es sah ihn nicht. Da stand es auf und suchte ihn, konnte ihn aber in keiner Ecke finden; endlich gewahrte es hinter der Thüre einen Sack mit Geld, so schwer, als es ihn nur tragen konnte, darauf stand geschrieben, das wäre für das Kind, das heute Nacht hier geschlafen hätte. Da nahm es den Sack und sprang damit fort und kam auch glücklich zu seiner Mutter, und weil es ihr

niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich: „komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stuͤhlchen und waͤrm dich, ich will dir klar Waͤsserchen holen, wenn du Durst hast; zu essen aber hab ich hier im Walde nichts fuͤr dich, als ein paar Wuͤrzelcher, die mußt du dir erst schaben und kochen.“ Da reichte ihm der heil. Joseph die Wurzeln; das Maͤdchen schrappte sie saͤuberlich ab, dann holte es ein Stuͤckchen Pfannkuchen und das Brot das ihm seine Mutter mitgegeben hatte, und that alles zusammen in einem Kesselchen bei’s Feuer und kochte sich ein Mus. Als das fertig war, sprach der heil. Joseph: „ich bin so hungrig, gib mir etwas von deinem Essen.“ Da gab ihm das Kind gleich und gab ihm mehr als es fuͤr sich behielt, doch war Gottes Seegen dabei, daß es satt wurde. Als sie nun gegessen hatten, sprach der heil. Joseph: „nun wollen wir zu Bett gehen, ich habe aber nur ein Bett, leg du dich hinein, ich will mich ins Stroh auf die Erde legen.“ „Nein, antwortete es, bleib du nur in deinem Bett, fuͤr mich ist das Stroh weich genug.“ Der heil. Joseph aber nahm das Kind auf den Arm und trug es ins Bettchen, da that es sein Gebet und schlief ein. Am andern Morgen als es aufwachte, wollte es dem heil. Joseph guten Morgen sagen, aber es sah ihn nicht. Da stand es auf und suchte ihn, konnte ihn aber in keiner Ecke finden; endlich gewahrte es hinter der Thuͤre einen Sack mit Geld, so schwer, als es ihn nur tragen konnte, darauf stand geschrieben, das waͤre fuͤr das Kind, das heute Nacht hier geschlafen haͤtte. Da nahm es den Sack und sprang damit fort und kam auch gluͤcklich zu seiner Mutter, und weil es ihr

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[290/0368] niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich: „komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stuͤhlchen und waͤrm dich, ich will dir klar Waͤsserchen holen, wenn du Durst hast; zu essen aber hab ich hier im Walde nichts fuͤr dich, als ein paar Wuͤrzelcher, die mußt du dir erst schaben und kochen.“ Da reichte ihm der heil. Joseph die Wurzeln; das Maͤdchen schrappte sie saͤuberlich ab, dann holte es ein Stuͤckchen Pfannkuchen und das Brot das ihm seine Mutter mitgegeben hatte, und that alles zusammen in einem Kesselchen bei’s Feuer und kochte sich ein Mus. Als das fertig war, sprach der heil. Joseph: „ich bin so hungrig, gib mir etwas von deinem Essen.“ Da gab ihm das Kind gleich und gab ihm mehr als es fuͤr sich behielt, doch war Gottes Seegen dabei, daß es satt wurde. Als sie nun gegessen hatten, sprach der heil. Joseph: „nun wollen wir zu Bett gehen, ich habe aber nur ein Bett, leg du dich hinein, ich will mich ins Stroh auf die Erde legen.“ „Nein, antwortete es, bleib du nur in deinem Bett, fuͤr mich ist das Stroh weich genug.“ Der heil. Joseph aber nahm das Kind auf den Arm und trug es ins Bettchen, da that es sein Gebet und schlief ein. Am andern Morgen als es aufwachte, wollte es dem heil. Joseph guten Morgen sagen, aber es sah ihn nicht. Da stand es auf und suchte ihn, konnte ihn aber in keiner Ecke finden; endlich gewahrte es hinter der Thuͤre einen Sack mit Geld, so schwer, als es ihn nur tragen konnte, darauf stand geschrieben, das waͤre fuͤr das Kind, das heute Nacht hier geschlafen haͤtte. Da nahm es den Sack und sprang damit fort und kam auch gluͤcklich zu seiner Mutter, und weil es ihr

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/368>, abgerufen am 29.04.2024.