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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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und zählte dem Knecht drei Heller einzeln auf 'da hast du für jedes Jahr einen Heller, das ist ein großer und reichlicher Lohn, wie du ihn bei wenigen Herrn empfangen hättest.' Der gute Knecht, der vom Geld wenig verstand, strich sein Capital ein, und dachte 'nun hast du vollauf in der Tasche, was willst du sorgen, und dich mit schwerer Arbeit länger plagen.'

Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an einem Buschwerk vorüber kam, daß ein kleines Männchen hervortrat, und ihn anrief 'wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe, du trägst nicht schwer an deinen Sorgen.' 'Was soll ich traurig seyn,' antwortete der Knecht, 'ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.' 'Wie viel ist denn deines Schatzes?' fragte ihn das Männchen. 'Wie viel? drei baare Heller, richtig gezählt.' 'Hör,' sagte der Zwerg, 'ich bin ein armer bedürftiger Mann, schenke mir deine drei Heller, ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung, und kannst dir dein Brot leicht verdienen.' Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte, und Mitleid mit dem Männchen fühlte, so reichte er ihm seine drei Heller, und sprach 'in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.' Da sprach das Männchen 'weil ich dein gutes Herz sehe, so gewähre ich dir drei Wünsche, für jeden Pfennig einen, die sollen dir in Erfüllung gehen.' 'Aha,' sprach der Knecht, 'du bist einer, der blau pfeifen kann: wohlan, wenns doch seyn soll, so wünsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele; zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen,

und zaͤhlte dem Knecht drei Heller einzeln auf ‘da hast du fuͤr jedes Jahr einen Heller, das ist ein großer und reichlicher Lohn, wie du ihn bei wenigen Herrn empfangen haͤttest.’ Der gute Knecht, der vom Geld wenig verstand, strich sein Capital ein, und dachte ‘nun hast du vollauf in der Tasche, was willst du sorgen, und dich mit schwerer Arbeit laͤnger plagen.’

Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an einem Buschwerk voruͤber kam, daß ein kleines Maͤnnchen hervortrat, und ihn anrief ‘wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe, du traͤgst nicht schwer an deinen Sorgen.’ ‘Was soll ich traurig seyn,’ antwortete der Knecht, ‘ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.’ ‘Wie viel ist denn deines Schatzes?’ fragte ihn das Maͤnnchen. ‘Wie viel? drei baare Heller, richtig gezaͤhlt.’ ‘Hoͤr,’ sagte der Zwerg, ‘ich bin ein armer beduͤrftiger Mann, schenke mir deine drei Heller, ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung, und kannst dir dein Brot leicht verdienen.’ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte, und Mitleid mit dem Maͤnnchen fuͤhlte, so reichte er ihm seine drei Heller, und sprach ‘in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.’ Da sprach das Maͤnnchen ‘weil ich dein gutes Herz sehe, so gewaͤhre ich dir drei Wuͤnsche, fuͤr jeden Pfennig einen, die sollen dir in Erfuͤllung gehen.’ ‘Aha,’ sprach der Knecht, ‘du bist einer, der blau pfeifen kann: wohlan, wenns doch seyn soll, so wuͤnsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele; zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen,

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[129/0145] und zaͤhlte dem Knecht drei Heller einzeln auf ‘da hast du fuͤr jedes Jahr einen Heller, das ist ein großer und reichlicher Lohn, wie du ihn bei wenigen Herrn empfangen haͤttest.’ Der gute Knecht, der vom Geld wenig verstand, strich sein Capital ein, und dachte ‘nun hast du vollauf in der Tasche, was willst du sorgen, und dich mit schwerer Arbeit laͤnger plagen.’ Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an einem Buschwerk voruͤber kam, daß ein kleines Maͤnnchen hervortrat, und ihn anrief ‘wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe, du traͤgst nicht schwer an deinen Sorgen.’ ‘Was soll ich traurig seyn,’ antwortete der Knecht, ‘ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.’ ‘Wie viel ist denn deines Schatzes?’ fragte ihn das Maͤnnchen. ‘Wie viel? drei baare Heller, richtig gezaͤhlt.’ ‘Hoͤr,’ sagte der Zwerg, ‘ich bin ein armer beduͤrftiger Mann, schenke mir deine drei Heller, ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung, und kannst dir dein Brot leicht verdienen.’ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte, und Mitleid mit dem Maͤnnchen fuͤhlte, so reichte er ihm seine drei Heller, und sprach ‘in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.’ Da sprach das Maͤnnchen ‘weil ich dein gutes Herz sehe, so gewaͤhre ich dir drei Wuͤnsche, fuͤr jeden Pfennig einen, die sollen dir in Erfuͤllung gehen.’ ‘Aha,’ sprach der Knecht, ‘du bist einer, der blau pfeifen kann: wohlan, wenns doch seyn soll, so wuͤnsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele; zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/145>, abgerufen am 10.05.2024.