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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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den Löwen schon besänftigen, daß ich wieder gesund zu euch heim komme.' Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied, und gieng getrost in den Wald hinein. Der Löwe aber war ein verzauberter Königssohn, und war bei Tag ein Löwe, und mit ihm wurden alle seine Leute zu Löwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natürliche menschliche Gestalt wieder. Als sie nun ankam, empfieng er sie freundlich, und ward Hochzeit gehalten, und in der Nacht war er ein schöner Mann, und da wachten sie in der Nacht, und schliefen am Tag, und lebten eine lange Zeit vergnügt mit einander. Zu einer Zeit kam er, und sagte 'morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine älteste Schwester sich verheirathet, und wenn du Lust hast hinzugehen, so sollen dich meine Löwen hinführen.' Da sagte sie ja, sie möchte gern ihren Vater wiedersehen; und fuhr hin, und wurde von den Löwen begleitet. Da war große Freude, als sie ankam, denn sie hatten alle geglaubt sie wäre schon lange todt, und von dem Löwen zerrissen worden. Sie erzählte aber wie gut es ihr gienge, und blieb bei ihnen so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zurück in den Wald. Wie die zweite Tochter heirathete, und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Löwen 'diesmal will ich nicht allein seyn, du mußt mitgehen.' Der Löwe aber wollte nicht, und sagte es wäre zu gefährlich für ihn, denn wenn dort der Strahl eines brennenden Lichts ihn berührte, so würde er in eine Taube verwandelt, und müßte sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sagte sie wollte ihn schon hüten und vor

den Loͤwen schon besaͤnftigen, daß ich wieder gesund zu euch heim komme.’ Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied, und gieng getrost in den Wald hinein. Der Loͤwe aber war ein verzauberter Koͤnigssohn, und war bei Tag ein Loͤwe, und mit ihm wurden alle seine Leute zu Loͤwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natuͤrliche menschliche Gestalt wieder. Als sie nun ankam, empfieng er sie freundlich, und ward Hochzeit gehalten, und in der Nacht war er ein schoͤner Mann, und da wachten sie in der Nacht, und schliefen am Tag, und lebten eine lange Zeit vergnuͤgt mit einander. Zu einer Zeit kam er, und sagte ‘morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine aͤlteste Schwester sich verheirathet, und wenn du Lust hast hinzugehen, so sollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren.’ Da sagte sie ja, sie moͤchte gern ihren Vater wiedersehen; und fuhr hin, und wurde von den Loͤwen begleitet. Da war große Freude, als sie ankam, denn sie hatten alle geglaubt sie waͤre schon lange todt, und von dem Loͤwen zerrissen worden. Sie erzaͤhlte aber wie gut es ihr gienge, und blieb bei ihnen so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zuruͤck in den Wald. Wie die zweite Tochter heirathete, und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Loͤwen ‘diesmal will ich nicht allein seyn, du mußt mitgehen.’ Der Loͤwe aber wollte nicht, und sagte es waͤre zu gefaͤhrlich fuͤr ihn, denn wenn dort der Strahl eines brennenden Lichts ihn beruͤhrte, so wuͤrde er in eine Taube verwandelt, und muͤßte sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sagte sie wollte ihn schon huͤten und vor

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[9/0025] den Loͤwen schon besaͤnftigen, daß ich wieder gesund zu euch heim komme.’ Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied, und gieng getrost in den Wald hinein. Der Loͤwe aber war ein verzauberter Koͤnigssohn, und war bei Tag ein Loͤwe, und mit ihm wurden alle seine Leute zu Loͤwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natuͤrliche menschliche Gestalt wieder. Als sie nun ankam, empfieng er sie freundlich, und ward Hochzeit gehalten, und in der Nacht war er ein schoͤner Mann, und da wachten sie in der Nacht, und schliefen am Tag, und lebten eine lange Zeit vergnuͤgt mit einander. Zu einer Zeit kam er, und sagte ‘morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine aͤlteste Schwester sich verheirathet, und wenn du Lust hast hinzugehen, so sollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren.’ Da sagte sie ja, sie moͤchte gern ihren Vater wiedersehen; und fuhr hin, und wurde von den Loͤwen begleitet. Da war große Freude, als sie ankam, denn sie hatten alle geglaubt sie waͤre schon lange todt, und von dem Loͤwen zerrissen worden. Sie erzaͤhlte aber wie gut es ihr gienge, und blieb bei ihnen so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zuruͤck in den Wald. Wie die zweite Tochter heirathete, und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Loͤwen ‘diesmal will ich nicht allein seyn, du mußt mitgehen.’ Der Loͤwe aber wollte nicht, und sagte es waͤre zu gefaͤhrlich fuͤr ihn, denn wenn dort der Strahl eines brennenden Lichts ihn beruͤhrte, so wuͤrde er in eine Taube verwandelt, und muͤßte sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sagte sie wollte ihn schon huͤten und vor

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/25>, abgerufen am 27.04.2024.