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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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der am rothen Meer sitzt, schwing dich mit deinem Liebsten auf seinen Rücken, der Vogel wird euch übers Meer nach Haus tragen. Da hast du auch eine Nuß, wenn du mitten über dem Meer bist, laß sie herab fallen, alsbald wird sie aufgehen, und ein großer Nußbaum aus dem Wasser hervorwachsen, auf dem sich der Greif ausruht, und könnte er nicht ruhen, so wäre er nicht stark genug euch hinüber zu tragen, und wenn du vergißt die Nuß herab zu werfen, so läßt er euch ins Meer fallen.'

Da gieng sie hin, und fand alles wie der Nachtwind gesagt hatte. Sie zählte die Ruthen am Meer, und schnitt die eilfte ab, damit schlug sie den Lindwurm, und der Löwe bezwang ihn, alsbald hatten beide ihren menschlichen Leib wieder. Aber wie die Königstochter, die vorher ein Lindwurm gewesen war, vom Zauber frei war, nahm sie den Jüngling in den Arm, setzte sich auf den Vogel Greif, und führte ihn mit sich fort. Da stand die arme weitgewanderte, und war wieder verlassen, und setzte sich nieder und weinte; endlich aber ermuthigte sie sich, und sprach 'ich will noch so weit gehen als der Wind weht, und so lang als der Hahn kräht, bis ich ihn finde.' Und gieng fort, lange lange Wege, bis sie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zusammen lebten, da hörte sie daß bald ein Fest wäre, wo sie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie sprach aber 'Gott hilft mir noch,' und nahm das Kästchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, so glänzend wie die Sonne selber. Da nahm sie es heraus, und zog es an, und gieng hinauf in das Schloß und alle Leute, und die Braut selber, sahen

der am rothen Meer sitzt, schwing dich mit deinem Liebsten auf seinen Ruͤcken, der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tragen. Da hast du auch eine Nuß, wenn du mitten uͤber dem Meer bist, laß sie herab fallen, alsbald wird sie aufgehen, und ein großer Nußbaum aus dem Wasser hervorwachsen, auf dem sich der Greif ausruht, und koͤnnte er nicht ruhen, so waͤre er nicht stark genug euch hinuͤber zu tragen, und wenn du vergißt die Nuß herab zu werfen, so laͤßt er euch ins Meer fallen.’

Da gieng sie hin, und fand alles wie der Nachtwind gesagt hatte. Sie zaͤhlte die Ruthen am Meer, und schnitt die eilfte ab, damit schlug sie den Lindwurm, und der Loͤwe bezwang ihn, alsbald hatten beide ihren menschlichen Leib wieder. Aber wie die Koͤnigstochter, die vorher ein Lindwurm gewesen war, vom Zauber frei war, nahm sie den Juͤngling in den Arm, setzte sich auf den Vogel Greif, und fuͤhrte ihn mit sich fort. Da stand die arme weitgewanderte, und war wieder verlassen, und setzte sich nieder und weinte; endlich aber ermuthigte sie sich, und sprach ‘ich will noch so weit gehen als der Wind weht, und so lang als der Hahn kraͤht, bis ich ihn finde.’ Und gieng fort, lange lange Wege, bis sie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zusammen lebten, da hoͤrte sie daß bald ein Fest waͤre, wo sie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie sprach aber ‘Gott hilft mir noch,’ und nahm das Kaͤstchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, so glaͤnzend wie die Sonne selber. Da nahm sie es heraus, und zog es an, und gieng hinauf in das Schloß und alle Leute, und die Braut selber, sahen

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[12/0028] der am rothen Meer sitzt, schwing dich mit deinem Liebsten auf seinen Ruͤcken, der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tragen. Da hast du auch eine Nuß, wenn du mitten uͤber dem Meer bist, laß sie herab fallen, alsbald wird sie aufgehen, und ein großer Nußbaum aus dem Wasser hervorwachsen, auf dem sich der Greif ausruht, und koͤnnte er nicht ruhen, so waͤre er nicht stark genug euch hinuͤber zu tragen, und wenn du vergißt die Nuß herab zu werfen, so laͤßt er euch ins Meer fallen.’ Da gieng sie hin, und fand alles wie der Nachtwind gesagt hatte. Sie zaͤhlte die Ruthen am Meer, und schnitt die eilfte ab, damit schlug sie den Lindwurm, und der Loͤwe bezwang ihn, alsbald hatten beide ihren menschlichen Leib wieder. Aber wie die Koͤnigstochter, die vorher ein Lindwurm gewesen war, vom Zauber frei war, nahm sie den Juͤngling in den Arm, setzte sich auf den Vogel Greif, und fuͤhrte ihn mit sich fort. Da stand die arme weitgewanderte, und war wieder verlassen, und setzte sich nieder und weinte; endlich aber ermuthigte sie sich, und sprach ‘ich will noch so weit gehen als der Wind weht, und so lang als der Hahn kraͤht, bis ich ihn finde.’ Und gieng fort, lange lange Wege, bis sie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zusammen lebten, da hoͤrte sie daß bald ein Fest waͤre, wo sie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie sprach aber ‘Gott hilft mir noch,’ und nahm das Kaͤstchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, so glaͤnzend wie die Sonne selber. Da nahm sie es heraus, und zog es an, und gieng hinauf in das Schloß und alle Leute, und die Braut selber, sahen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/28>, abgerufen am 28.04.2024.