Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.ein Kohlblatt aus ihren Händen; das Reh graste an ihrer Seite; der Hirsch sprang ganz lustig vorbei; die Vögel blieben auf den Aesten sitzen, und sangen was sie wußten. Kein Unfall traf sie: wenn sie sich im Walde verspätet hatten und die Nacht sie überfiel, so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen bis der Morgen kam, und die Mutter wußte das, und hatte ihrentwegen keine Sorge. Einmal, als sie im Walde übernachtet hatten, und das Morgenroth sie aufweckte, da sahen sie ein schönes Kind in einem weißen glänzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf, und blickte sie ganz freundlich an, sprach aber nichts, und gieng in den Wald hinein. Und als sie sich umsahen, so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen, und wären gewiß hinein gefallen, wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weiter gegangen wären. Die Mutter aber sagte ihnen das müste der Engel gewesen seyn, der gute Kinder bewache. Schneeweißchen und Rosenroth hielten das Hüttchen der Mutter so reinlich, daß es eine Freude war hinein zu schauen. Jm Sommer besorgte Rosenroth das Haus, und stellte der Mutter jeden Morgen, ehe sie aufwachte, einen Blumenstrauß vors Bett, darin war von jedem Bäumchen eine Rose. Jm Winter zündete Schneeweißchen das Feuer an, und hieng den Kessel an den Feuerhacken, und der Kessel war von Messing, glänzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Abends, wenn die Flocken fielen, sagte die Mutter 'geh, Schneeweißchen, ein Kohlblatt aus ihren Haͤnden; das Reh graste an ihrer Seite; der Hirsch sprang ganz lustig vorbei; die Voͤgel blieben auf den Aesten sitzen, und sangen was sie wußten. Kein Unfall traf sie: wenn sie sich im Walde verspaͤtet hatten und die Nacht sie uͤberfiel, so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen bis der Morgen kam, und die Mutter wußte das, und hatte ihrentwegen keine Sorge. Einmal, als sie im Walde uͤbernachtet hatten, und das Morgenroth sie aufweckte, da sahen sie ein schoͤnes Kind in einem weißen glaͤnzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf, und blickte sie ganz freundlich an, sprach aber nichts, und gieng in den Wald hinein. Und als sie sich umsahen, so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen, und waͤren gewiß hinein gefallen, wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weiter gegangen waͤren. Die Mutter aber sagte ihnen das muͤste der Engel gewesen seyn, der gute Kinder bewache. Schneeweißchen und Rosenroth hielten das Huͤttchen der Mutter so reinlich, daß es eine Freude war hinein zu schauen. Jm Sommer besorgte Rosenroth das Haus, und stellte der Mutter jeden Morgen, ehe sie aufwachte, einen Blumenstrauß vors Bett, darin war von jedem Baͤumchen eine Rose. Jm Winter zuͤndete Schneeweißchen das Feuer an, und hieng den Kessel an den Feuerhacken, und der Kessel war von Messing, glaͤnzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Abends, wenn die Flocken fielen, sagte die Mutter ‘geh, Schneeweißchen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0337" n="321"/> ein Kohlblatt aus ihren Haͤnden; das Reh graste an ihrer Seite; der Hirsch sprang ganz lustig vorbei; die Voͤgel blieben auf den Aesten sitzen, und sangen was sie wußten. Kein Unfall traf sie: wenn sie sich im Walde verspaͤtet hatten und die Nacht sie uͤberfiel, so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen bis der Morgen kam, und die Mutter wußte das, und hatte ihrentwegen keine Sorge. Einmal, als sie im Walde uͤbernachtet hatten, und das Morgenroth sie aufweckte, da sahen sie ein schoͤnes Kind in einem weißen glaͤnzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf, und blickte sie ganz freundlich an, sprach aber nichts, und gieng in den Wald hinein. Und als sie sich umsahen, so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen, und waͤren gewiß hinein gefallen, wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weiter gegangen waͤren. Die Mutter aber sagte ihnen das muͤste der Engel gewesen seyn, der gute Kinder bewache.</p><lb/> <p>Schneeweißchen und Rosenroth hielten das Huͤttchen der Mutter so reinlich, daß es eine Freude war hinein zu schauen. Jm Sommer besorgte Rosenroth das Haus, und stellte der Mutter jeden Morgen, ehe sie aufwachte, einen Blumenstrauß vors Bett, darin war von jedem Baͤumchen eine Rose. Jm Winter zuͤndete Schneeweißchen das Feuer an, und hieng den Kessel an den Feuerhacken, und der Kessel war von Messing, glaͤnzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Abends, wenn die Flocken fielen, sagte die Mutter ‘geh, Schneeweißchen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [321/0337]
ein Kohlblatt aus ihren Haͤnden; das Reh graste an ihrer Seite; der Hirsch sprang ganz lustig vorbei; die Voͤgel blieben auf den Aesten sitzen, und sangen was sie wußten. Kein Unfall traf sie: wenn sie sich im Walde verspaͤtet hatten und die Nacht sie uͤberfiel, so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen bis der Morgen kam, und die Mutter wußte das, und hatte ihrentwegen keine Sorge. Einmal, als sie im Walde uͤbernachtet hatten, und das Morgenroth sie aufweckte, da sahen sie ein schoͤnes Kind in einem weißen glaͤnzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf, und blickte sie ganz freundlich an, sprach aber nichts, und gieng in den Wald hinein. Und als sie sich umsahen, so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen, und waͤren gewiß hinein gefallen, wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weiter gegangen waͤren. Die Mutter aber sagte ihnen das muͤste der Engel gewesen seyn, der gute Kinder bewache.
Schneeweißchen und Rosenroth hielten das Huͤttchen der Mutter so reinlich, daß es eine Freude war hinein zu schauen. Jm Sommer besorgte Rosenroth das Haus, und stellte der Mutter jeden Morgen, ehe sie aufwachte, einen Blumenstrauß vors Bett, darin war von jedem Baͤumchen eine Rose. Jm Winter zuͤndete Schneeweißchen das Feuer an, und hieng den Kessel an den Feuerhacken, und der Kessel war von Messing, glaͤnzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Abends, wenn die Flocken fielen, sagte die Mutter ‘geh, Schneeweißchen,
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/337>, abgerufen am 27.07.2024. |