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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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alles war leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwünschte Jungfrau, die freute sich, wie sie ihn sah und sprach zu ihm 'kommst du, mein Erlöser? auf dich habe ich schon zwölf Jahre gewartet, dies Reich ist verwünscht, und du mußt es erlösen. Heute Nacht kommen zwölf Männer, schwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machst, da schweig aber still, und gib ihnen keine Antwort, und laß sie mit dir machen was sie wollen; sie werden dich quälen, schlagen und stechen, laß alles geschehen, nur rede nicht: um zwölf Uhr müssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwölf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwölf Uhr ist ihre Macht vorbei, und wenn du dann ausgehalten und kein Wörtchen gesprochen hast, so bin ich erlöst, und komme zu dir, und stehe dir bei, und habe das Wasser des Lebens, damit bestreiche ich dich, und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zuvor.' Da sprach er 'gerne will ich dich erlösen.' Es geschah nun alles so, wie sie gesagt hatte: die schwarzen Männer konnten ihm kein Wort abzwingen, und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schönen Königstochter, die kam mit dem Wasser des Lebens, und machte ihn wieder lebendig. Und dann fiel sie ihm um den Hals, und küßte ihn, und war Jubel und Freude im ganzen Schloß. Da wurde ihre Hochzeit gehalten, und er war König vom goldenen Berge.

Also lebten sie vergnügt zusammen, und die Königin gebar einen schönen Knaben, und acht Jahre waren schon herum, da

alles war leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwuͤnschte Jungfrau, die freute sich, wie sie ihn sah und sprach zu ihm ‘kommst du, mein Erloͤser? auf dich habe ich schon zwoͤlf Jahre gewartet, dies Reich ist verwuͤnscht, und du mußt es erloͤsen. Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner, schwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machst, da schweig aber still, und gib ihnen keine Antwort, und laß sie mit dir machen was sie wollen; sie werden dich quaͤlen, schlagen und stechen, laß alles geschehen, nur rede nicht: um zwoͤlf Uhr muͤssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr ist ihre Macht vorbei, und wenn du dann ausgehalten und kein Woͤrtchen gesprochen hast, so bin ich erloͤst, und komme zu dir, und stehe dir bei, und habe das Wasser des Lebens, damit bestreiche ich dich, und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zuvor.’ Da sprach er ‘gerne will ich dich erloͤsen.’ Es geschah nun alles so, wie sie gesagt hatte: die schwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen, und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schoͤnen Koͤnigstochter, die kam mit dem Wasser des Lebens, und machte ihn wieder lebendig. Und dann fiel sie ihm um den Hals, und kuͤßte ihn, und war Jubel und Freude im ganzen Schloß. Da wurde ihre Hochzeit gehalten, und er war Koͤnig vom goldenen Berge.

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[44/0060] alles war leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwuͤnschte Jungfrau, die freute sich, wie sie ihn sah und sprach zu ihm ‘kommst du, mein Erloͤser? auf dich habe ich schon zwoͤlf Jahre gewartet, dies Reich ist verwuͤnscht, und du mußt es erloͤsen. Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner, schwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machst, da schweig aber still, und gib ihnen keine Antwort, und laß sie mit dir machen was sie wollen; sie werden dich quaͤlen, schlagen und stechen, laß alles geschehen, nur rede nicht: um zwoͤlf Uhr muͤssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr ist ihre Macht vorbei, und wenn du dann ausgehalten und kein Woͤrtchen gesprochen hast, so bin ich erloͤst, und komme zu dir, und stehe dir bei, und habe das Wasser des Lebens, damit bestreiche ich dich, und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zuvor.’ Da sprach er ‘gerne will ich dich erloͤsen.’ Es geschah nun alles so, wie sie gesagt hatte: die schwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen, und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schoͤnen Koͤnigstochter, die kam mit dem Wasser des Lebens, und machte ihn wieder lebendig. Und dann fiel sie ihm um den Hals, und kuͤßte ihn, und war Jubel und Freude im ganzen Schloß. Da wurde ihre Hochzeit gehalten, und er war Koͤnig vom goldenen Berge. Also lebten sie vergnuͤgt zusammen, und die Koͤnigin gebar einen schoͤnen Knaben, und acht Jahre waren schon herum, da

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/60>, abgerufen am 13.05.2024.