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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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ward ins Gefängnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößer herbeigeschafft hätte. Die Bedienten mußten ihm täglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefängnis kriegt, da hörten sie, wie der Mann als fort schrie 'ach, hätt ich meiner Tochter gehört! ach, ach, hätt ich meiner Tochter gehört!' Da giengen die Bedienten zum König, und sprachen das, wie der Gefangene als fort schrie 'ach, hätt ich doch meiner Tochter gehört!' und wollte nicht essen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, sie sollten den Gefangenen vor ihn bringen, und da fragte ihn der Herr König warum er also fort schreie 'ach, hätt ich meiner Tochter gehört!' 'Was hat eure Tochter denn gesagt?' 'Ja, sie hat gesprochen ich sollte den Mörsel nicht bringen, sonst müßt ich auch den Stößer schaffen.' 'Habt ihr denn so eine kluge Tochter, so laßt sie einmal herkommen.' Also mußte sie vor den König kommen, der fragte sie ob sie denn so klug wäre? und sagte er wollte ihr wohl ein Räthsel aufgeben, wenn sie das treffen könnte, dann wollte er sie heirathen. Da sprach sie gleich ja, sie wollts errathen. Da sagte der König 'komm zu mir, nicht gekleidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wenn du das kannst, will ich dich heirathen.' Da gieng sie hin, und zog sich aus splinternakkend, da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn, und setzte sich hinein, und wickelte es um sich herum, da war sie nicht nackend; und borgte einen Esel fürs Geld, und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, darin er sie fortschleppen

ward ins Gefaͤngnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stoͤßer herbeigeschafft haͤtte. Die Bedienten mußten ihm taͤglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefaͤngnis kriegt, da hoͤrten sie, wie der Mann als fort schrie ‘ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt! ach, ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt!’ Da giengen die Bedienten zum Koͤnig, und sprachen das, wie der Gefangene als fort schrie ‘ach, haͤtt ich doch meiner Tochter gehoͤrt!’ und wollte nicht essen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, sie sollten den Gefangenen vor ihn bringen, und da fragte ihn der Herr Koͤnig warum er also fort schreie ‘ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt!’ ‘Was hat eure Tochter denn gesagt?’ ‘Ja, sie hat gesprochen ich sollte den Moͤrsel nicht bringen, sonst muͤßt ich auch den Stoͤßer schaffen.’ ‘Habt ihr denn so eine kluge Tochter, so laßt sie einmal herkommen.’ Also mußte sie vor den Koͤnig kommen, der fragte sie ob sie denn so klug waͤre? und sagte er wollte ihr wohl ein Raͤthsel aufgeben, wenn sie das treffen koͤnnte, dann wollte er sie heirathen. Da sprach sie gleich ja, sie wollts errathen. Da sagte der Koͤnig ‘komm zu mir, nicht gekleidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wenn du das kannst, will ich dich heirathen.’ Da gieng sie hin, und zog sich aus splinternakkend, da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn, und setzte sich hinein, und wickelte es um sich herum, da war sie nicht nackend; und borgte einen Esel fuͤrs Geld, und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, darin er sie fortschleppen

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[58/0074] ward ins Gefaͤngnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stoͤßer herbeigeschafft haͤtte. Die Bedienten mußten ihm taͤglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefaͤngnis kriegt, da hoͤrten sie, wie der Mann als fort schrie ‘ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt! ach, ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt!’ Da giengen die Bedienten zum Koͤnig, und sprachen das, wie der Gefangene als fort schrie ‘ach, haͤtt ich doch meiner Tochter gehoͤrt!’ und wollte nicht essen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, sie sollten den Gefangenen vor ihn bringen, und da fragte ihn der Herr Koͤnig warum er also fort schreie ‘ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt!’ ‘Was hat eure Tochter denn gesagt?’ ‘Ja, sie hat gesprochen ich sollte den Moͤrsel nicht bringen, sonst muͤßt ich auch den Stoͤßer schaffen.’ ‘Habt ihr denn so eine kluge Tochter, so laßt sie einmal herkommen.’ Also mußte sie vor den Koͤnig kommen, der fragte sie ob sie denn so klug waͤre? und sagte er wollte ihr wohl ein Raͤthsel aufgeben, wenn sie das treffen koͤnnte, dann wollte er sie heirathen. Da sprach sie gleich ja, sie wollts errathen. Da sagte der Koͤnig ‘komm zu mir, nicht gekleidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wenn du das kannst, will ich dich heirathen.’ Da gieng sie hin, und zog sich aus splinternakkend, da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn, und setzte sich hinein, und wickelte es um sich herum, da war sie nicht nackend; und borgte einen Esel fuͤrs Geld, und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, darin er sie fortschleppen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/74>, abgerufen am 07.05.2024.