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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.

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zweierlei Haar auf dem Kopf, von was für Farben ist das?' 'Wenns weiter nichts ist,' sagte der erste, 'es wird schwarz und weiß seyn, wie Kümmel und Salz.' Die Prinzessin sprach 'falsch gerathen; antwortete der zweite.' Da sagte der zweite 'ists nicht schwarz und weiß, so ists braun und roth, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.' 'Falsch gerathen,' sagte die Prinzessin, 'antworte der dritte, dem seh ichs an, der weiß es sicherlich.' Da trat das Schneiderlein keck hervor, und sprach 'die Prinzessin hat ein silbernes und goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.' Wie die Prinzessin das hörte, ward sie blaß, und wäre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte sicher geglaubt das würde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder kam, sprach sie 'damit hast du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins thun; unten im Stall liegt ein Bär, bei dem sollst du die Nacht zubringen, wenn ich dann morgen aufstehe, und du bist noch lebendig, so sollst du mich heirathen.' Sie dachte aber damit wollte sie das Schneiderlein los werden, denn der Bär hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein ließ sich nicht abschrecken, war ganz vergnügt, und sprach 'das will ich auch noch vollbringen.'

Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Bären gebracht; der Bär wollt auch gleich auf es los, und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. 'Sachte, sachte,' sprach das Schneiderlein, 'ich kann dich noch zur Ruhe bringen.' Da holte es ganz gemächlich, als hätt es keine Sorgen,

zweierlei Haar auf dem Kopf, von was für Farben ist das?’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ sagte der erste, ‘es wird schwarz und weiß seyn, wie Kümmel und Salz.’ Die Prinzessin sprach ‘falsch gerathen; antwortete der zweite.’ Da sagte der zweite ‘ists nicht schwarz und weiß, so ists braun und roth, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.’ ‘Falsch gerathen,’ sagte die Prinzessin, ‘antworte der dritte, dem seh ichs an, der weiß es sicherlich.’ Da trat das Schneiderlein keck hervor, und sprach ‘die Prinzessin hat ein silbernes und goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.’ Wie die Prinzessin das hörte, ward sie blaß, und wäre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte sicher geglaubt das würde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder kam, sprach sie ‘damit hast du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins thun; unten im Stall liegt ein Bär, bei dem sollst du die Nacht zubringen, wenn ich dann morgen aufstehe, und du bist noch lebendig, so sollst du mich heirathen.’ Sie dachte aber damit wollte sie das Schneiderlein los werden, denn der Bär hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein ließ sich nicht abschrecken, war ganz vergnügt, und sprach ‘das will ich auch noch vollbringen.’

Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Bären gebracht; der Bär wollt auch gleich auf es los, und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. ‘Sachte, sachte,’ sprach das Schneiderlein, ‘ich kann dich noch zur Ruhe bringen.’ Da holte es ganz gemächlich, als hätt es keine Sorgen,

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[158/0179] zweierlei Haar auf dem Kopf, von was für Farben ist das?’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ sagte der erste, ‘es wird schwarz und weiß seyn, wie Kümmel und Salz.’ Die Prinzessin sprach ‘falsch gerathen; antwortete der zweite.’ Da sagte der zweite ‘ists nicht schwarz und weiß, so ists braun und roth, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.’ ‘Falsch gerathen,’ sagte die Prinzessin, ‘antworte der dritte, dem seh ichs an, der weiß es sicherlich.’ Da trat das Schneiderlein keck hervor, und sprach ‘die Prinzessin hat ein silbernes und goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.’ Wie die Prinzessin das hörte, ward sie blaß, und wäre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte sicher geglaubt das würde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder kam, sprach sie ‘damit hast du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins thun; unten im Stall liegt ein Bär, bei dem sollst du die Nacht zubringen, wenn ich dann morgen aufstehe, und du bist noch lebendig, so sollst du mich heirathen.’ Sie dachte aber damit wollte sie das Schneiderlein los werden, denn der Bär hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein ließ sich nicht abschrecken, war ganz vergnügt, und sprach ‘das will ich auch noch vollbringen.’ Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Bären gebracht; der Bär wollt auch gleich auf es los, und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. ‘Sachte, sachte,’ sprach das Schneiderlein, ‘ich kann dich noch zur Ruhe bringen.’ Da holte es ganz gemächlich, als hätt es keine Sorgen,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/179>, abgerufen am 30.04.2024.