Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Alte, 'er hat gesagt du solltest deine güldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.' Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über ein Weilchen rief der Bruder

'deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht näßt,
daß Wind dich nicht bestäubt,
und du fein schön zum König kommst.'

Die Braut fragte 'was sagt mein lieber Bruder?' 'Ach,' sprach die Alte, 'er hat gesagt du möchtest einmal aus dem Wagen sehen;' sie fuhren aber gerade über ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem König die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie wärs, weil es ihm trübe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der König, wie er die grundlose Häßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr bös, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezücht war. Die alte Hexe aber wußte den König doch so zu bestricken, und durch ihre Künste ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete.

Alte, ‘er hat gesagt du solltest deine güldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.’ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über ein Weilchen rief der Bruder

‘deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht näßt,
daß Wind dich nicht bestäubt,
und du fein schön zum König kommst.’

Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du möchtest einmal aus dem Wagen sehen;’ sie fuhren aber gerade über ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem König die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie wärs, weil es ihm trübe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der König, wie er die grundlose Häßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr bös, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezücht war. Die alte Hexe aber wußte den König doch so zu bestricken, und durch ihre Künste ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="267"/>
Alte, &#x2018;er hat gesagt du solltest deine güldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.&#x2019; Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über ein Weilchen rief der Bruder</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;deck dich zu, mein Schwesterlein,</l><lb/>
          <l>daß Regen dich nicht näßt,</l><lb/>
          <l>daß Wind dich nicht bestäubt,</l><lb/>
          <l>und du fein schön zum König kommst.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Die Braut fragte &#x2018;was sagt mein lieber Bruder?&#x2019; &#x2018;Ach,&#x2019; sprach die Alte, &#x2018;er hat gesagt du möchtest einmal aus dem Wagen sehen;&#x2019; sie fuhren aber gerade über ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem König die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie wärs, weil es ihm trübe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der König, wie er die grundlose Häßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr bös, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezücht war. Die alte Hexe aber wußte den König doch so zu bestricken, und durch ihre Künste ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0288] Alte, ‘er hat gesagt du solltest deine güldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.’ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über ein Weilchen rief der Bruder ‘deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht näßt, daß Wind dich nicht bestäubt, und du fein schön zum König kommst.’ Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du möchtest einmal aus dem Wagen sehen;’ sie fuhren aber gerade über ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem König die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie wärs, weil es ihm trübe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der König, wie er die grundlose Häßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr bös, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezücht war. Die alte Hexe aber wußte den König doch so zu bestricken, und durch ihre Künste ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-27T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/288
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/288>, abgerufen am 04.06.2024.