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Samuel Greifnson vom Hirschfeld [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Exempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes. [Nürnberg], 1667.

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ner scheinbarlichen Tugenden: Wie
Selicha ihm das ihrige wegen seiner
Schönheit geschenckt hatte; immer
Schad wäre es/ sagte sie zu sich selbsten;
wann der schönste Spiegel aller Tugen-
den durch lästerliche Verläumtungen
solte untertruckt und zu Schanden wer-
den; was? wann man das gestattet/ so
möchte es dahin kommen/ daß die Tu-
genden endlich auch selbst durch die La-
ster zerscheidert würden; Nichts! ich will
wagen was mir die Götter hierzu ver-
liehen haben; und nahm damit ein schön
paar Armband vor die eine: und ein
köstliche Stirnfpange vor die andere
der Selichae Kammer-Jungfern; mit
denselben schmirte sie die eine nach der
andern/ bis sie alles Haarklein erfuhr/
wie man mit dem so frommen als schö-
nen Joseph verfahren wäre; aber dessen
Unschuld an Tag zu bringen wolte ihr
nicht geziemen/ wieviel sie auch Kalen-
der darüber machte und die Sach über-
schlug; dann erstlich lag ihr die nahe Ver-
wandschafft der Selichae im Weg/ de-

ren

ner ſcheinbarlichen Tugenden: Wie
Selicha ihm das ihrige wegen ſeiner
Schoͤnheit geſchenckt hatte; immer
Schad waͤre es/ ſagte ſie zu ſich ſelbſten;
wann der ſchoͤnſte Spiegel aller Tugen-
den durch laͤſterliche Verlaͤumtungen
ſolte untertruckt und zu Schanden wer-
den; was? wann man das geſtattet/ ſo
moͤchte es dahin kommen/ daß die Tu-
genden endlich auch ſelbſt durch die La-
ſter zerſcheidert wuͤrden; Nichts! ich will
wagen was mir die Goͤtter hierzu ver-
liehen haben; und nahm damit ein ſchoͤn
paar Armband vor die eine: und ein
koͤſtliche Stirnfpange vor die andere
der Selichæ Kammer-Jungfern; mit
denſelben ſchmirte ſie die eine nach der
andern/ bis ſie alles Haarklein erfuhr/
wie man mit dem ſo frommen als ſchoͤ-
nen Joſeph verfahren waͤre; aber deſſen
Unſchuld an Tag zu bringen wolte ihr
nicht geziemen/ wieviel ſie auch Kalen-
der daruͤber machte und die Sach uͤber-
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[120.[120]/0124] ner ſcheinbarlichen Tugenden: Wie Selicha ihm das ihrige wegen ſeiner Schoͤnheit geſchenckt hatte; immer Schad waͤre es/ ſagte ſie zu ſich ſelbſten; wann der ſchoͤnſte Spiegel aller Tugen- den durch laͤſterliche Verlaͤumtungen ſolte untertruckt und zu Schanden wer- den; was? wann man das geſtattet/ ſo moͤchte es dahin kommen/ daß die Tu- genden endlich auch ſelbſt durch die La- ſter zerſcheidert wuͤrden; Nichts! ich will wagen was mir die Goͤtter hierzu ver- liehen haben; und nahm damit ein ſchoͤn paar Armband vor die eine: und ein koͤſtliche Stirnfpange vor die andere der Selichæ Kammer-Jungfern; mit denſelben ſchmirte ſie die eine nach der andern/ bis ſie alles Haarklein erfuhr/ wie man mit dem ſo frommen als ſchoͤ- nen Joſeph verfahren waͤre; aber deſſen Unſchuld an Tag zu bringen wolte ihr nicht geziemen/ wieviel ſie auch Kalen- der daruͤber machte und die Sach uͤber- ſchlug; dañ erſtlich lag ihr die nahe Ver- wandſchafft der Selichæ im Weg/ de- ren

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Zitationshilfe: Samuel Greifnson vom Hirschfeld [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Exempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes. [Nürnberg], 1667, S. 120.[120]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_vorsehung_1667/124>, abgerufen am 29.04.2024.