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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Winkelschreiber? Da müßten Sie eher das Blau vom Himmel herunterraisonniren. Daraus wird nichts, sag' ich Ihnen; triumphiren Sie nicht zu früh, Sie verblindeter Tugendspiegel. Eh' biet' ich Gott und die Welt auf, und wenn ich bis an den König gehen müßte!

Nur zu, nur zu, Herr General! sagte die Conrectorin mit behaglichem Schmunzeln. Ich habe dabei so meine Gedanken, und die können Sie mir nicht nehmen; nein, Gott sei Dank, die können Sie mir nicht nehmen. Dabei lachte sie auf das Herzlichste.

Lachen Sie nur, lachen Sie nur, polterte der Alte. Wir wollen sehen, wer am letzten lachen wird. -- Jean, mein Reitpferd, ich muß in die Stadt!

Noch einmal stellte sich die Frau Conrectorin in den Weg.

Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr General, aber ich halte es für sehr unklug, die Sache an die große Glocke zu schlagen. Sie thäten am besten, gute Miene zum bösen Spiel zu machen; es hilft Ihnen doch nichts mehr. Und vor allen Dingen abwarten, Herr General, abwarten!

Bis die Ehre verspielt ist und die Schande am Himmel steht; nein, meine Liebe, verschonen Sie mich mit Ihrem Rath, ich weiß schon allein, was ich zu thun und zu lassen habe. Wir wollen sehen, wer den Kürzeren zieht. Gott befohlen, Frau Nachbarin, Gott befohlen. -- Damit humpelte er an seinem Krückstock ächzend und fluchend davon, fluchend über das verdammte Zipperlein.

Winkelschreiber? Da müßten Sie eher das Blau vom Himmel herunterraisonniren. Daraus wird nichts, sag' ich Ihnen; triumphiren Sie nicht zu früh, Sie verblindeter Tugendspiegel. Eh' biet' ich Gott und die Welt auf, und wenn ich bis an den König gehen müßte!

Nur zu, nur zu, Herr General! sagte die Conrectorin mit behaglichem Schmunzeln. Ich habe dabei so meine Gedanken, und die können Sie mir nicht nehmen; nein, Gott sei Dank, die können Sie mir nicht nehmen. Dabei lachte sie auf das Herzlichste.

Lachen Sie nur, lachen Sie nur, polterte der Alte. Wir wollen sehen, wer am letzten lachen wird. — Jean, mein Reitpferd, ich muß in die Stadt!

Noch einmal stellte sich die Frau Conrectorin in den Weg.

Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr General, aber ich halte es für sehr unklug, die Sache an die große Glocke zu schlagen. Sie thäten am besten, gute Miene zum bösen Spiel zu machen; es hilft Ihnen doch nichts mehr. Und vor allen Dingen abwarten, Herr General, abwarten!

Bis die Ehre verspielt ist und die Schande am Himmel steht; nein, meine Liebe, verschonen Sie mich mit Ihrem Rath, ich weiß schon allein, was ich zu thun und zu lassen habe. Wir wollen sehen, wer den Kürzeren zieht. Gott befohlen, Frau Nachbarin, Gott befohlen. — Damit humpelte er an seinem Krückstock ächzend und fluchend davon, fluchend über das verdammte Zipperlein.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/114>, abgerufen am 04.05.2024.