Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

haben Sie mir verheimlicht, -- wie können Sie diese große Sünde verantworten?

Wieder vernahm die Frau Conrectorin ein dumpfes Poltern und Brummen, dann unterschied sie deutlicher die Worte:

Alles Lug und Trug und Schwindel. Ja, es ist wahr, ich habe jene Briefe zurückbehalten, weil sie reines Gift für dich waren, weil du die Welt nicht kennst, und weil ein Mensch niemals seinen Charakter ändern kann. Mich täuschen die schönen Worte dieses Patrons nicht. Er ist und bleibt, was er war -- ein Lump in Folio!

Sie vergessen, daß es mein vor Gott angetrauter Mann ist.

Und du vergissest, daß wir diese Ehe niemals anerkannt haben. Wir waren von Anfang an dagegen, weil ich den Menschen durchschaute. Er hat sich wie ein Dieb in unsere Familie eingeschlichen, und wie ein Mörder ist er davongegangen zum großen Glück für uns alle!

Sie wissen wohl nicht, was Sie sagen, Herr General. Sagen Sie lieber, daß Sie ihn gehaßt haben und noch hassen, daß Sie ihn verfolgt haben vom ersten Tage an und eigentlich sein Unglück verschuldet haben, denn Sie konnten ihm helfen, wenn Sie wollten.

Hat auch seinen guten Grund gehabt; denn wir können dir leider mit Zahlen beweisen, wie viel wir selbst mitverloren haben. Du weißt doch, daß deine gute, selige Mutter sich selbst vollständig ruinirt hat,

haben Sie mir verheimlicht, — wie können Sie diese große Sünde verantworten?

Wieder vernahm die Frau Conrectorin ein dumpfes Poltern und Brummen, dann unterschied sie deutlicher die Worte:

Alles Lug und Trug und Schwindel. Ja, es ist wahr, ich habe jene Briefe zurückbehalten, weil sie reines Gift für dich waren, weil du die Welt nicht kennst, und weil ein Mensch niemals seinen Charakter ändern kann. Mich täuschen die schönen Worte dieses Patrons nicht. Er ist und bleibt, was er war — ein Lump in Folio!

Sie vergessen, daß es mein vor Gott angetrauter Mann ist.

Und du vergissest, daß wir diese Ehe niemals anerkannt haben. Wir waren von Anfang an dagegen, weil ich den Menschen durchschaute. Er hat sich wie ein Dieb in unsere Familie eingeschlichen, und wie ein Mörder ist er davongegangen zum großen Glück für uns alle!

Sie wissen wohl nicht, was Sie sagen, Herr General. Sagen Sie lieber, daß Sie ihn gehaßt haben und noch hassen, daß Sie ihn verfolgt haben vom ersten Tage an und eigentlich sein Unglück verschuldet haben, denn Sie konnten ihm helfen, wenn Sie wollten.

Hat auch seinen guten Grund gehabt; denn wir können dir leider mit Zahlen beweisen, wie viel wir selbst mitverloren haben. Du weißt doch, daß deine gute, selige Mutter sich selbst vollständig ruinirt hat,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0076"/>
haben Sie mir verheimlicht, &#x2014; wie können Sie diese große                Sünde verantworten?</p><lb/>
        <p>Wieder vernahm die Frau Conrectorin ein dumpfes Poltern und Brummen, dann unterschied                sie deutlicher die Worte:</p><lb/>
        <p>Alles Lug und Trug und Schwindel. Ja, es ist wahr, ich habe jene Briefe                zurückbehalten, weil sie reines Gift für dich waren, weil du die Welt nicht kennst,                und weil ein Mensch niemals seinen Charakter ändern kann. Mich täuschen die schönen                Worte dieses Patrons nicht. Er ist und bleibt, was er war &#x2014; ein Lump in Folio!</p><lb/>
        <p>Sie vergessen, daß es mein vor Gott angetrauter Mann ist.</p><lb/>
        <p>Und du vergissest, daß wir diese Ehe niemals anerkannt haben. Wir waren von Anfang an                dagegen, weil ich den Menschen durchschaute. Er hat sich wie ein Dieb in unsere                Familie eingeschlichen, und wie ein Mörder ist er davongegangen zum großen Glück für                uns alle!</p><lb/>
        <p>Sie wissen wohl nicht, was Sie sagen, Herr General. Sagen Sie lieber, daß Sie ihn                gehaßt haben und noch hassen, daß Sie ihn verfolgt haben vom ersten Tage an und                eigentlich sein Unglück verschuldet haben, denn Sie konnten ihm helfen, wenn Sie                wollten.</p><lb/>
        <p>Hat auch seinen guten Grund gehabt; denn wir können dir leider mit Zahlen beweisen,                wie viel wir selbst mitverloren haben. Du weißt doch, daß deine gute, selige Mutter                sich selbst vollständig ruinirt hat,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0076] haben Sie mir verheimlicht, — wie können Sie diese große Sünde verantworten? Wieder vernahm die Frau Conrectorin ein dumpfes Poltern und Brummen, dann unterschied sie deutlicher die Worte: Alles Lug und Trug und Schwindel. Ja, es ist wahr, ich habe jene Briefe zurückbehalten, weil sie reines Gift für dich waren, weil du die Welt nicht kennst, und weil ein Mensch niemals seinen Charakter ändern kann. Mich täuschen die schönen Worte dieses Patrons nicht. Er ist und bleibt, was er war — ein Lump in Folio! Sie vergessen, daß es mein vor Gott angetrauter Mann ist. Und du vergissest, daß wir diese Ehe niemals anerkannt haben. Wir waren von Anfang an dagegen, weil ich den Menschen durchschaute. Er hat sich wie ein Dieb in unsere Familie eingeschlichen, und wie ein Mörder ist er davongegangen zum großen Glück für uns alle! Sie wissen wohl nicht, was Sie sagen, Herr General. Sagen Sie lieber, daß Sie ihn gehaßt haben und noch hassen, daß Sie ihn verfolgt haben vom ersten Tage an und eigentlich sein Unglück verschuldet haben, denn Sie konnten ihm helfen, wenn Sie wollten. Hat auch seinen guten Grund gehabt; denn wir können dir leider mit Zahlen beweisen, wie viel wir selbst mitverloren haben. Du weißt doch, daß deine gute, selige Mutter sich selbst vollständig ruinirt hat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/76
Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/76>, abgerufen am 02.05.2024.