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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und den europäischen insbesondere.
dern auch ganz Italien, die Stadt Rom und das Pa-
trimonium St. Petri
haben. Jen. 1709. 4. nebst 2.
Fortsetzungen.
La liberte de l' Italie demontree a ses Princes et a ses
peuples, traduite de l' Italien de l' Abbe Tosini.
Amst.
1718. 8.
Mosers auswärtiges Staatsrecht, 5. B. 3. K. S. 398.
u. f.

Ich will wenigstens die vornehmsten streitigen souve-
rainen Staaten kürzlich anführen. Man rechnet dahin:

1] Das Königreich Böhmen, das zwar schon
722 einen souverainen Herzog, Namens Przemysl ge-
habt haben soll, aber nachher unter Kaiser Ludwig dem
Teutschen dem Reiche unterworfen wurde. Wenigstens
ist dessen Verbindung mit Teutschland seit den Kaisern
Heinrich III. und IV. nicht zu bezweifeln. Letzterer soll
dem böhmischen Herzog Wratislav 1086 die königliche
Würde ertheilt haben, die schon Herzog Wenzel Heinrich
dem Vogler ausschlug. Sie wurde 1158 erneuert und
seit 1292 von allen Beherschern Böhmens geführt.
Zwar erlangte das Königreich Böhmen in der Folge an-
sehnliche Vorrechte und Befreiungen vom teutschen Rei-
che, besonders von dessen Gerichtsbarkeit, dem ungeachtet
ist der iedesmalige König von Böhmen, als Churfürst,
wegen dieses Reichslandes noch ein unstreitiger Stand
des teutschen Reichs: welche Eigenschaft die Kron Böh-
men im Jahr 1708 aufs neue anerkant und durch Ueber-
nehmung eines Matricular-Anschlags befestigt hat. Aus-
ser der Verbindung mit Teutschland wird Böhmen übri-
gens von seinen Regenten mit ziemlich unbeschränkter
Gewalt beherschet. In den 1756. und folgenden Jahren
kam es, wegen der Abhängigkeit Böhmens vom teutschen
Reiche zwischen Preussen und dem Hause Oesterreich zur

Spra-
und den europaͤiſchen insbeſondere.
dern auch ganz Italien, die Stadt Rom und das Pa-
trimonium St. Petri
haben. Jen. 1709. 4. nebſt 2.
Fortſetzungen.
La liberté de l’ Italie demontrée à ſes Princes et à ſes
peuples, traduite de l’ Italien de l’ Abbé Toſini.
Amſt.
1718. 8.
Moſers auswaͤrtiges Staatsrecht, 5. B. 3. K. S. 398.
u. f.

Ich will wenigſtens die vornehmſten ſtreitigen ſouve-
rainen Staaten kuͤrzlich anfuͤhren. Man rechnet dahin:

1] Das Koͤnigreich Boͤhmen, das zwar ſchon
722 einen ſouverainen Herzog, Namens Przemyſl ge-
habt haben ſoll, aber nachher unter Kaiſer Ludwig dem
Teutſchen dem Reiche unterworfen wurde. Wenigſtens
iſt deſſen Verbindung mit Teutſchland ſeit den Kaiſern
Heinrich III. und IV. nicht zu bezweifeln. Letzterer ſoll
dem boͤhmiſchen Herzog Wratislav 1086 die koͤnigliche
Wuͤrde ertheilt haben, die ſchon Herzog Wenzel Heinrich
dem Vogler ausſchlug. Sie wurde 1158 erneuert und
ſeit 1292 von allen Beherſchern Boͤhmens gefuͤhrt.
Zwar erlangte das Koͤnigreich Boͤhmen in der Folge an-
ſehnliche Vorrechte und Befreiungen vom teutſchen Rei-
che, beſonders von deſſen Gerichtsbarkeit, dem ungeachtet
iſt der iedesmalige Koͤnig von Boͤhmen, als Churfuͤrſt,
wegen dieſes Reichslandes noch ein unſtreitiger Stand
des teutſchen Reichs: welche Eigenſchaft die Kron Boͤh-
men im Jahr 1708 aufs neue anerkant und durch Ueber-
nehmung eines Matricular-Anſchlags befeſtigt hat. Auſ-
ſer der Verbindung mit Teutſchland wird Boͤhmen uͤbri-
gens von ſeinen Regenten mit ziemlich unbeſchraͤnkter
Gewalt beherſchet. In den 1756. und folgenden Jahren
kam es, wegen der Abhaͤngigkeit Boͤhmens vom teutſchen
Reiche zwiſchen Preuſſen und dem Hauſe Oeſterreich zur

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[111/0137] und den europaͤiſchen insbeſondere. b] dern auch ganz Italien, die Stadt Rom und das Pa- trimonium St. Petri haben. Jen. 1709. 4. nebſt 2. Fortſetzungen. La liberté de l’ Italie demontrée à ſes Princes et à ſes peuples, traduite de l’ Italien de l’ Abbé Toſini. Amſt. 1718. 8. Moſers auswaͤrtiges Staatsrecht, 5. B. 3. K. S. 398. u. f. Ich will wenigſtens die vornehmſten ſtreitigen ſouve- rainen Staaten kuͤrzlich anfuͤhren. Man rechnet dahin: 1] Das Koͤnigreich Boͤhmen, das zwar ſchon 722 einen ſouverainen Herzog, Namens Przemyſl ge- habt haben ſoll, aber nachher unter Kaiſer Ludwig dem Teutſchen dem Reiche unterworfen wurde. Wenigſtens iſt deſſen Verbindung mit Teutſchland ſeit den Kaiſern Heinrich III. und IV. nicht zu bezweifeln. Letzterer ſoll dem boͤhmiſchen Herzog Wratislav 1086 die koͤnigliche Wuͤrde ertheilt haben, die ſchon Herzog Wenzel Heinrich dem Vogler ausſchlug. Sie wurde 1158 erneuert und ſeit 1292 von allen Beherſchern Boͤhmens gefuͤhrt. Zwar erlangte das Koͤnigreich Boͤhmen in der Folge an- ſehnliche Vorrechte und Befreiungen vom teutſchen Rei- che, beſonders von deſſen Gerichtsbarkeit, dem ungeachtet iſt der iedesmalige Koͤnig von Boͤhmen, als Churfuͤrſt, wegen dieſes Reichslandes noch ein unſtreitiger Stand des teutſchen Reichs: welche Eigenſchaft die Kron Boͤh- men im Jahr 1708 aufs neue anerkant und durch Ueber- nehmung eines Matricular-Anſchlags befeſtigt hat. Auſ- ſer der Verbindung mit Teutſchland wird Boͤhmen uͤbri- gens von ſeinen Regenten mit ziemlich unbeſchraͤnkter Gewalt beherſchet. In den 1756. und folgenden Jahren kam es, wegen der Abhaͤngigkeit Boͤhmens vom teutſchen Reiche zwiſchen Preuſſen und dem Hauſe Oeſterreich zur Spra-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/137>, abgerufen am 29.04.2024.