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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von den Landesgrenzen.
rigkeiten und Weiterungen ausgesetzt a]. Dieser Unter-
suchungsfall trift hauptsächlich alsdann ein, wenn ein
solches Land etwa an ein anderes Volk abgetreten wird;
wovon wir in der europäischen Staatengeschichte merk-
würdige Beispiele haben. Dahin gehören unter andern
die Streitigkeiten zwischen Frankreich und Grosbritan-
nien wegen des Landes Acadien b] und die französischen
Reunionskammern in Absicht der von Teutschland er-
haltenen Provinzen c]. Es finden hier die nämlichen
Beweise Statt, welche unten bey den Grenzstreitigkei-
ten überhaupt vorkommen werden. Ein gütlicher Ver-
gleich giebt am Ende die beste Entscheidung.

a] Spanien beschwerte sich z. B. über Grosbritannien in
dem Kriegsmanifest von 1739. daß letztere Krone, ob
ihr gleich die Festung Gibraltar ohn einiges Territorium
abgetreten worden, sich dennoch alles zueignen wolle,
wohin ein Canonenschus reichen könne. Mosers Ver-
such 5. Th. S. 29.
b] Im Utrechter Frieden 1713. trat Frankreich an Gros-
britannien unter andern Art. 12. ab: Novam Scotiam
quoque sive Acadiam totam limitibus suis antiquis
comprehensam, vt et Portus Regii vrbem nunc An-
napolin Regiam dictam, caeteraque omnia in istis
regionibus quae ab iisdem terris et insulis pendent
etc.
Hieraus machte Grosbritannien in der Folge auf
eine Menge Länder Anspruch welche Frankreich unter
iener Abtretung gar nicht begriffen wissen wolte. Es
setzte diesen Anforderungen daher unter andern entgegen:
Les mots de limitibus et de comprehensam n'ont
jamais ete places nulle part pour donner de l'exten-
sion. -- La phrase [vt et] que eitent les Com-
missaires Anglois, ne donne aucune extension a la
cession et ne peut pas operer sans le dire, et par
une vertu secrete, que ce qui n'etoit pas Acadie
avant le traite, soit devenu Acadie apres le traite;

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Von den Landesgrenzen.
rigkeiten und Weiterungen ausgeſetzt a]. Dieſer Unter-
ſuchungsfall trift hauptſaͤchlich alsdann ein, wenn ein
ſolches Land etwa an ein anderes Volk abgetreten wird;
wovon wir in der europaͤiſchen Staatengeſchichte merk-
wuͤrdige Beiſpiele haben. Dahin gehoͤren unter andern
die Streitigkeiten zwiſchen Frankreich und Grosbritan-
nien wegen des Landes Acadien b] und die franzoͤſiſchen
Reunionskammern in Abſicht der von Teutſchland er-
haltenen Provinzen c]. Es finden hier die naͤmlichen
Beweiſe Statt, welche unten bey den Grenzſtreitigkei-
ten uͤberhaupt vorkommen werden. Ein guͤtlicher Ver-
gleich giebt am Ende die beſte Entſcheidung.

a] Spanien beſchwerte ſich z. B. uͤber Grosbritannien in
dem Kriegsmanifeſt von 1739. daß letztere Krone, ob
ihr gleich die Feſtung Gibraltar ohn einiges Territorium
abgetreten worden, ſich dennoch alles zueignen wolle,
wohin ein Canonenſchus reichen koͤnne. Moſers Ver-
ſuch 5. Th. S. 29.
b] Im Utrechter Frieden 1713. trat Frankreich an Gros-
britannien unter andern Art. 12. ab: Novam Scotiam
quoque ſive Acadiam totam limitibus ſuis antiquis
comprehenſam, vt et Portus Regii vrbem nunc An-
napolin Regiam dictam, caeteraque omnia in iſtis
regionibus quae ab iisdem terris et inſulis pendent
etc.
Hieraus machte Grosbritannien in der Folge auf
eine Menge Laͤnder Anſpruch welche Frankreich unter
iener Abtretung gar nicht begriffen wiſſen wolte. Es
ſetzte dieſen Anforderungen daher unter andern entgegen:
Les mots de limitibus et de comprehenſam n’ont
jamais été placés nulle part pour donner de l’exten-
ſion. — La phraſe [vt et] que eitent les Com-
miſſaires Anglois, ne donne aucune extenſion à la
ceſſion et ne peut pas opérer ſans le dire, et par
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[179/0193] Von den Landesgrenzen. rigkeiten und Weiterungen ausgeſetzt a]. Dieſer Unter- ſuchungsfall trift hauptſaͤchlich alsdann ein, wenn ein ſolches Land etwa an ein anderes Volk abgetreten wird; wovon wir in der europaͤiſchen Staatengeſchichte merk- wuͤrdige Beiſpiele haben. Dahin gehoͤren unter andern die Streitigkeiten zwiſchen Frankreich und Grosbritan- nien wegen des Landes Acadien b] und die franzoͤſiſchen Reunionskammern in Abſicht der von Teutſchland er- haltenen Provinzen c]. Es finden hier die naͤmlichen Beweiſe Statt, welche unten bey den Grenzſtreitigkei- ten uͤberhaupt vorkommen werden. Ein guͤtlicher Ver- gleich giebt am Ende die beſte Entſcheidung. a] Spanien beſchwerte ſich z. B. uͤber Grosbritannien in dem Kriegsmanifeſt von 1739. daß letztere Krone, ob ihr gleich die Feſtung Gibraltar ohn einiges Territorium abgetreten worden, ſich dennoch alles zueignen wolle, wohin ein Canonenſchus reichen koͤnne. Moſers Ver- ſuch 5. Th. S. 29. b] Im Utrechter Frieden 1713. trat Frankreich an Gros- britannien unter andern Art. 12. ab: Novam Scotiam quoque ſive Acadiam totam limitibus ſuis antiquis comprehenſam, vt et Portus Regii vrbem nunc An- napolin Regiam dictam, caeteraque omnia in iſtis regionibus quae ab iisdem terris et inſulis pendent etc. Hieraus machte Grosbritannien in der Folge auf eine Menge Laͤnder Anſpruch welche Frankreich unter iener Abtretung gar nicht begriffen wiſſen wolte. Es ſetzte dieſen Anforderungen daher unter andern entgegen: Les mots de limitibus et de comprehenſam n’ont jamais été placés nulle part pour donner de l’exten- ſion. — La phraſe [vt et] que eitent les Com- miſſaires Anglois, ne donne aucune extenſion à la ceſſion et ne peut pas opérer ſans le dire, et par une vertu ſecrete, que ce qui n’étoit pas Acadie avant le traité, ſoit devenu Acadie après le traité; ni M 2

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/193>, abgerufen am 29.04.2024.