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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Algemeine wechselseitige Rechte der Völker
wässern die eigentlich unter keiner Herschaft stehen,
können gewisse Arten von Völkerdienstbarkeiten einge-
führt werden, wenn ein Volk sich zu Gunsten anderer,
seiner natürlichen Freiheit begiebt und verspricht, in
einer bestimten Gegend nicht zu fischen, zu schiffen etc. d].
Alle diese Verträge sind jedoch nicht weiter auszudeh-
nen, als ihr ausdrücklicher Innhalt besaget e].

a] Ickstatt Elem. I. G. L. III. c. 2. §. 19. 20. Der
Fall, welchen Wolf, c. III. §. 322. erwähnt, wo ein
Volk durch ursprünglichen Erwerb gewisse Gerechtsame
in eines andern Territorium erlangen könne, ist nach
vorhin angeführten Grundsätzen kaum denkbar.
b] Ioach. Erdm. Schmidt diss, de servitutibus iuris pub-
lici falso nomine sic appellatis, Ien.
1764.
c] v. Römer Völkerrecht der Teutschen S. 222. Eine
dergleichen blos auf gewisse Umstände eingeschränkte Ser-
vitut führt Moser im nachbarl. Staatsrecht S. 23.
aus einem Vertrage zwischen Oesterreich und dem Hoch-
stift Chur von 1665. an, nach welchem ersteres dem
Bischoffe verwilligt, daß wenn er sich selbst auf seiner
Herschaft Fürstenberg in Tyrol befände, er in dem See
auf der Malserhaide für seine Tafel durch die österrei-
chischen Fischer fischen lassen könne etc.
d] Wolff I. G. c. I. §. 126.
e] Schutz- Lehns- und andere dergleichen Verbindungen
geben daher, ausser was die Natur dieser Verträge mit
sich bringet, keine weitern Ansprüche auf die Ausübung
einiger Rechte in dem Territorium, wenn solche nicht
ausdrücklich mit bedungen worden, obgleich der Schutz-
herr etc. nur zu oft seine Gerechtsame weiter als ihm ge-
bührt zu erstrecken pflegt. Ganz richtig bemerkt Frank-
reich in dem Kriegsmanifest gegen den Römischen Kaiser
1733. Ce n'est point en etouffant les droits d'une
nation qu'on merite le nom de son protecteur mais

Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
waͤſſern die eigentlich unter keiner Herſchaft ſtehen,
koͤnnen gewiſſe Arten von Voͤlkerdienſtbarkeiten einge-
fuͤhrt werden, wenn ein Volk ſich zu Gunſten anderer,
ſeiner natuͤrlichen Freiheit begiebt und verſpricht, in
einer beſtimten Gegend nicht zu fiſchen, zu ſchiffen ꝛc. d].
Alle dieſe Vertraͤge ſind jedoch nicht weiter auszudeh-
nen, als ihr ausdruͤcklicher Innhalt beſaget e].

a] Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 2. §. 19. 20. Der
Fall, welchen Wolf, c. III. §. 322. erwaͤhnt, wo ein
Volk durch urſpruͤnglichen Erwerb gewiſſe Gerechtſame
in eines andern Territorium erlangen koͤnne, iſt nach
vorhin angefuͤhrten Grundſaͤtzen kaum denkbar.
b] Ioach. Erdm. Schmidt diſſ, de ſervitutibus iuris pub-
lici falſo nomine ſic appellatis, Ien.
1764.
c] v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 222. Eine
dergleichen blos auf gewiſſe Umſtaͤnde eingeſchraͤnkte Ser-
vitut fuͤhrt Moſer im nachbarl. Staatsrecht S. 23.
aus einem Vertrage zwiſchen Oeſterreich und dem Hoch-
ſtift Chur von 1665. an, nach welchem erſteres dem
Biſchoffe verwilligt, daß wenn er ſich ſelbſt auf ſeiner
Herſchaft Fuͤrſtenberg in Tyrol befaͤnde, er in dem See
auf der Malſerhaide fuͤr ſeine Tafel durch die oͤſterrei-
chiſchen Fiſcher fiſchen laſſen koͤnne ꝛc.
d] Wolff I. G. c. I. §. 126.
e] Schutz- Lehns- und andere dergleichen Verbindungen
geben daher, auſſer was die Natur dieſer Vertraͤge mit
ſich bringet, keine weitern Anſpruͤche auf die Ausuͤbung
einiger Rechte in dem Territorium, wenn ſolche nicht
ausdruͤcklich mit bedungen worden, obgleich der Schutz-
herr ꝛc. nur zu oft ſeine Gerechtſame weiter als ihm ge-
buͤhrt zu erſtrecken pflegt. Ganz richtig bemerkt Frank-
reich in dem Kriegsmanifeſt gegen den Roͤmiſchen Kaiſer
1733. Ce n’eſt point en étouffant les droits d’une
nation qu’on merite le nom de ſon protecteur mais

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[232/0246] Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker waͤſſern die eigentlich unter keiner Herſchaft ſtehen, koͤnnen gewiſſe Arten von Voͤlkerdienſtbarkeiten einge- fuͤhrt werden, wenn ein Volk ſich zu Gunſten anderer, ſeiner natuͤrlichen Freiheit begiebt und verſpricht, in einer beſtimten Gegend nicht zu fiſchen, zu ſchiffen ꝛc. d]. Alle dieſe Vertraͤge ſind jedoch nicht weiter auszudeh- nen, als ihr ausdruͤcklicher Innhalt beſaget e]. a] Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 2. §. 19. 20. Der Fall, welchen Wolf, c. III. §. 322. erwaͤhnt, wo ein Volk durch urſpruͤnglichen Erwerb gewiſſe Gerechtſame in eines andern Territorium erlangen koͤnne, iſt nach vorhin angefuͤhrten Grundſaͤtzen kaum denkbar. b] Ioach. Erdm. Schmidt diſſ, de ſervitutibus iuris pub- lici falſo nomine ſic appellatis, Ien. 1764. c] v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 222. Eine dergleichen blos auf gewiſſe Umſtaͤnde eingeſchraͤnkte Ser- vitut fuͤhrt Moſer im nachbarl. Staatsrecht S. 23. aus einem Vertrage zwiſchen Oeſterreich und dem Hoch- ſtift Chur von 1665. an, nach welchem erſteres dem Biſchoffe verwilligt, daß wenn er ſich ſelbſt auf ſeiner Herſchaft Fuͤrſtenberg in Tyrol befaͤnde, er in dem See auf der Malſerhaide fuͤr ſeine Tafel durch die oͤſterrei- chiſchen Fiſcher fiſchen laſſen koͤnne ꝛc. d] Wolff I. G. c. I. §. 126. e] Schutz- Lehns- und andere dergleichen Verbindungen geben daher, auſſer was die Natur dieſer Vertraͤge mit ſich bringet, keine weitern Anſpruͤche auf die Ausuͤbung einiger Rechte in dem Territorium, wenn ſolche nicht ausdruͤcklich mit bedungen worden, obgleich der Schutz- herr ꝛc. nur zu oft ſeine Gerechtſame weiter als ihm ge- buͤhrt zu erſtrecken pflegt. Ganz richtig bemerkt Frank- reich in dem Kriegsmanifeſt gegen den Roͤmiſchen Kaiſer 1733. Ce n’eſt point en étouffant les droits d’une nation qu’on merite le nom de ſon protecteur mais en

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/246>, abgerufen am 30.04.2024.