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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von Erlangung des Eigenthums von andern
Nazionen angenommen, wie in dem vorangeführten Wie-
ner Frieden: ad constituendum duraturum in Europa
aequilibrium,
so ist wohl kein Zweifel daß andern ein
Widerspruchsrecht bleibt, wenn gleich die contrahirenden
Theile einverstanden wären.
b] Das System des Gleichgewichts und die Furcht gefähr-
licher Nachbarschaft sind auch die gewöhnlichsten Ursa-
chen, einem Volke die Erwerbung mehrerer Lande oder
deren Eintausch zu verwehren; wiewohl Moser [Grunds.
des itztübl. Europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 11. K. §. 5.
6.] solche nicht für hinlänglich zur Hindernis ansieht:
indes sagt er, sey es eine andere Frage: ob es dennoch
nicht geschehen würde? Davon geben aber besonders die
Streitigkeiten und Kriege wegen der spanischen Erbfolge,
nach dem Tode Karls II. von Spanien, im Anfange
dieses Jahrhunderts und das mehrgedachte baiersche
Tauschproject den einleuchtendsten Beweis. In Anse-
hung der erstern sind die Kriegserklärungen gegen Frank-
reich und andere Staatsschriften voll von diesen Grund-
sätzen. Nur einiges anzuführen, heißt es in dem Ma-
nifeste des Erzherzog Karl, als angeblichen Königs von
Spanien vom Jahre 1704. le danger pour l'Espagne
et pour toute la Chretiente ne seroit gueres moindre
si ces deux grandes couronnes etoient jointes dans la
meme maison de Bourbon si formidable deja, et si
deux rois si etroitement vnis et dont les grands pays
sont joints immediatement et de plein pied se trou-
voient en etat de s'entr'aider a opprimer -- meme
la liberte de l'Europe etc.
Ja es werden sogar der
französische Atheismus und andere Gründe gegen die Ver-
einigung dieser beiden Reiche vorgebracht. In dem Ma-
nifeste des Königs von Portugal wird von dem bekanten
Partagetractat unter andern gesagt: ita formidinem tolli
duorum imperiorum inter se conjungendorum, quod
haud dubie formidulosum foret caeteris Europae regnis,

Von Erlangung des Eigenthums von andern
Nazionen angenommen, wie in dem vorangefuͤhrten Wie-
ner Frieden: ad conſtituendum duraturum in Europa
aequilibrium,
ſo iſt wohl kein Zweifel daß andern ein
Widerſpruchsrecht bleibt, wenn gleich die contrahirenden
Theile einverſtanden waͤren.
b] Das Syſtem des Gleichgewichts und die Furcht gefaͤhr-
licher Nachbarſchaft ſind auch die gewoͤhnlichſten Urſa-
chen, einem Volke die Erwerbung mehrerer Lande oder
deren Eintauſch zu verwehren; wiewohl Moſer [Grundſ.
des itztuͤbl. Europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 11. K. §. 5.
6.] ſolche nicht fuͤr hinlaͤnglich zur Hindernis anſieht:
indes ſagt er, ſey es eine andere Frage: ob es dennoch
nicht geſchehen wuͤrde? Davon geben aber beſonders die
Streitigkeiten und Kriege wegen der ſpaniſchen Erbfolge,
nach dem Tode Karls II. von Spanien, im Anfange
dieſes Jahrhunderts und das mehrgedachte baierſche
Tauſchproject den einleuchtendſten Beweis. In Anſe-
hung der erſtern ſind die Kriegserklaͤrungen gegen Frank-
reich und andere Staatsſchriften voll von dieſen Grund-
ſaͤtzen. Nur einiges anzufuͤhren, heißt es in dem Ma-
nifeſte des Erzherzog Karl, als angeblichen Koͤnigs von
Spanien vom Jahre 1704. le danger pour l’Espagne
et pour toute la Chretienté ne ſeroit gueres moindre
ſi ces deux grandes couronnes étoient jointes dans la
même maiſon de Bourbon ſi formidable deja, et ſi
deux rois ſi étroitement vnis et dont les grands pays
ſont joints immediatement et de plein pied ſe trou-
voient en état de ſ’entr’aider à opprimer — même
la liberté de l’Europe etc.
Ja es werden ſogar der
franzoͤſiſche Atheismus und andere Gruͤnde gegen die Ver-
einigung dieſer beiden Reiche vorgebracht. In dem Ma-
nifeſte des Koͤnigs von Portugal wird von dem bekanten
Partagetractat unter andern geſagt: ita formidinem tolli
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[84/0098] Von Erlangung des Eigenthums von andern a] Nazionen angenommen, wie in dem vorangefuͤhrten Wie- ner Frieden: ad conſtituendum duraturum in Europa aequilibrium, ſo iſt wohl kein Zweifel daß andern ein Widerſpruchsrecht bleibt, wenn gleich die contrahirenden Theile einverſtanden waͤren. b] Das Syſtem des Gleichgewichts und die Furcht gefaͤhr- licher Nachbarſchaft ſind auch die gewoͤhnlichſten Urſa- chen, einem Volke die Erwerbung mehrerer Lande oder deren Eintauſch zu verwehren; wiewohl Moſer [Grundſ. des itztuͤbl. Europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 11. K. §. 5. 6.] ſolche nicht fuͤr hinlaͤnglich zur Hindernis anſieht: indes ſagt er, ſey es eine andere Frage: ob es dennoch nicht geſchehen wuͤrde? Davon geben aber beſonders die Streitigkeiten und Kriege wegen der ſpaniſchen Erbfolge, nach dem Tode Karls II. von Spanien, im Anfange dieſes Jahrhunderts und das mehrgedachte baierſche Tauſchproject den einleuchtendſten Beweis. In Anſe- hung der erſtern ſind die Kriegserklaͤrungen gegen Frank- reich und andere Staatsſchriften voll von dieſen Grund- ſaͤtzen. Nur einiges anzufuͤhren, heißt es in dem Ma- nifeſte des Erzherzog Karl, als angeblichen Koͤnigs von Spanien vom Jahre 1704. le danger pour l’Espagne et pour toute la Chretienté ne ſeroit gueres moindre ſi ces deux grandes couronnes étoient jointes dans la même maiſon de Bourbon ſi formidable deja, et ſi deux rois ſi étroitement vnis et dont les grands pays ſont joints immediatement et de plein pied ſe trou- voient en état de ſ’entr’aider à opprimer — même la liberté de l’Europe etc. Ja es werden ſogar der franzoͤſiſche Atheismus und andere Gruͤnde gegen die Ver- einigung dieſer beiden Reiche vorgebracht. In dem Ma- nifeſte des Koͤnigs von Portugal wird von dem bekanten Partagetractat unter andern geſagt: ita formidinem tolli duorum imperiorum inter ſe conjungendorum, quod haud dubie formiduloſum foret caeteris Europae regnis, Luſi-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/98>, abgerufen am 29.04.2024.