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Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

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Es waren dies Männer, welche sich selbst auszeichneten. Feiner atomistischer Staub des Egoismus, der in menschlichen Seelen zerstreut ist! Sie leben mit Geräusch, jeder ihrer Tritte macht ein Echo, sie haben nie den Mund geschlossen, sie leben mit Händen und Füßen und was um sie vorgeht, für den Herzensschlag in der Brust eines Nebenmenschen haben sie kein Ohr. Einen Augenblick zu schweigen und den Andern reden zu hören, wär' ihnen sonderbar. Nach zehn Jahren ist der Andre eine europäische Berühmtheit und sie müssen sich schämen, daß sie mit ihm lebten, ohne von ihm Eindrücke empfangen zu haben.

Freilich kann hier eine Entschuldigung eintreten. Börne gab sich nicht, sondern er wollte genommen sein. Es fehlte ihm das Talent, mit sich selbst Komödie zu spielen, sich als der, der er war, auch in Scene zu setzen und sich jene Ruhe um ihn her zu erzwingen, die man braucht, um gehört zu werden. So haben viele seiner Freunde einen unbestimmten Erinnerungsdämmer von ihm, ein lachendes, wohlthuendes Flimmern des Gedächtnisses,

Es waren dies Männer, welche sich selbst auszeichneten. Feiner atomistischer Staub des Egoismus, der in menschlichen Seelen zerstreut ist! Sie leben mit Geräusch, jeder ihrer Tritte macht ein Echo, sie haben nie den Mund geschlossen, sie leben mit Händen und Füßen und was um sie vorgeht, für den Herzensschlag in der Brust eines Nebenmenschen haben sie kein Ohr. Einen Augenblick zu schweigen und den Andern reden zu hören, wär’ ihnen sonderbar. Nach zehn Jahren ist der Andre eine europäische Berühmtheit und sie müssen sich schämen, daß sie mit ihm lebten, ohne von ihm Eindrücke empfangen zu haben.

Freilich kann hier eine Entschuldigung eintreten. Börne gab sich nicht, sondern er wollte genommen sein. Es fehlte ihm das Talent, mit sich selbst Komödie zu spielen, sich als der, der er war, auch in Scene zu setzen und sich jene Ruhe um ihn her zu erzwingen, die man braucht, um gehört zu werden. So haben viele seiner Freunde einen unbestimmten Erinnerungsdämmer von ihm, ein lachendes, wohlthuendes Flimmern des Gedächtnisses,

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[XIII/0019] Es waren dies Männer, welche sich selbst auszeichneten. Feiner atomistischer Staub des Egoismus, der in menschlichen Seelen zerstreut ist! Sie leben mit Geräusch, jeder ihrer Tritte macht ein Echo, sie haben nie den Mund geschlossen, sie leben mit Händen und Füßen und was um sie vorgeht, für den Herzensschlag in der Brust eines Nebenmenschen haben sie kein Ohr. Einen Augenblick zu schweigen und den Andern reden zu hören, wär’ ihnen sonderbar. Nach zehn Jahren ist der Andre eine europäische Berühmtheit und sie müssen sich schämen, daß sie mit ihm lebten, ohne von ihm Eindrücke empfangen zu haben. Freilich kann hier eine Entschuldigung eintreten. Börne gab sich nicht, sondern er wollte genommen sein. Es fehlte ihm das Talent, mit sich selbst Komödie zu spielen, sich als der, der er war, auch in Scene zu setzen und sich jene Ruhe um ihn her zu erzwingen, die man braucht, um gehört zu werden. So haben viele seiner Freunde einen unbestimmten Erinnerungsdämmer von ihm, ein lachendes, wohlthuendes Flimmern des Gedächtnisses,

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/19>, abgerufen am 04.05.2024.