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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Priesterseminarium angelegt, Bäder zu etwaigen Congressen theils restaurirt, theils neu aufgefunden. Der Geist der Unruhe und Gährung wird vor dieser friedlichen Begegnung, wie vor wehrlosen Jungfrauen, freiwillig seine Waffen von sich legen. Durch sein eigenes Verschwinden wird er das hohe Ziel humaner Sittigung befördern helfen.

Nur begreif' ich nicht, warum der Präsident Plato's Werke im Lande verbieten konnte. Diesen Widerspruch eines in Griechenland verbotenen Plato's mag jene Weisheit lösen, die das Schicksal der Völker auf die tiefsten Grundlagen der Liebe und der Billigkeit, wie sie ja vorgibt, anlegt. Nur bitte ich, welcher deutsche Fürst würde sich einfallen lassen, Göthes Werke in seinem Bezirke zu verbieten! Und Plato sollte fähig sein, politische Träume in den Köpfen der Jugend aufzuregen! Plato, dessen Republik nur von einer Republik den Namen hat, der nichts als das hellenische Vorbild eines Machiavell heißen kann!

Plato ist der Flügelmann der preußischen Aristokratie der Geistreichen, die jetzt die Stelle der ehemaligen Potsdamer Riesen einnehmen. Den Zeitgenossen Plato's war seine Republik eine Restauration der Staatswissenschaften. Für uns soll sie aber die höchste Wichtigkeit haben. Man hat sehr oft die Frage aufgeworfen, ob Plato sich die Mög-

Priesterseminarium angelegt, Bäder zu etwaigen Congressen theils restaurirt, theils neu aufgefunden. Der Geist der Unruhe und Gährung wird vor dieser friedlichen Begegnung, wie vor wehrlosen Jungfrauen, freiwillig seine Waffen von sich legen. Durch sein eigenes Verschwinden wird er das hohe Ziel humaner Sittigung befördern helfen.

Nur begreif’ ich nicht, warum der Präsident Plato’s Werke im Lande verbieten konnte. Diesen Widerspruch eines in Griechenland verbotenen Plato’s mag jene Weisheit lösen, die das Schicksal der Völker auf die tiefsten Grundlagen der Liebe und der Billigkeit, wie sie ja vorgibt, anlegt. Nur bitte ich, welcher deutsche Fürst würde sich einfallen lassen, Göthes Werke in seinem Bezirke zu verbieten! Und Plato sollte fähig sein, politische Träume in den Köpfen der Jugend aufzuregen! Plato, dessen Republik nur von einer Republik den Namen hat, der nichts als das hellenische Vorbild eines Machiavell heißen kann!

Plato ist der Flügelmann der preußischen Aristokratie der Geistreichen, die jetzt die Stelle der ehemaligen Potsdamer Riesen einnehmen. Den Zeitgenossen Plato’s war seine Republik eine Restauration der Staatswissenschaften. Für uns soll sie aber die höchste Wichtigkeit haben. Man hat sehr oft die Frage aufgeworfen, ob Plato sich die Mög-

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[89/0102] Priesterseminarium angelegt, Bäder zu etwaigen Congressen theils restaurirt, theils neu aufgefunden. Der Geist der Unruhe und Gährung wird vor dieser friedlichen Begegnung, wie vor wehrlosen Jungfrauen, freiwillig seine Waffen von sich legen. Durch sein eigenes Verschwinden wird er das hohe Ziel humaner Sittigung befördern helfen. Nur begreif’ ich nicht, warum der Präsident Plato’s Werke im Lande verbieten konnte. Diesen Widerspruch eines in Griechenland verbotenen Plato’s mag jene Weisheit lösen, die das Schicksal der Völker auf die tiefsten Grundlagen der Liebe und der Billigkeit, wie sie ja vorgibt, anlegt. Nur bitte ich, welcher deutsche Fürst würde sich einfallen lassen, Göthes Werke in seinem Bezirke zu verbieten! Und Plato sollte fähig sein, politische Träume in den Köpfen der Jugend aufzuregen! Plato, dessen Republik nur von einer Republik den Namen hat, der nichts als das hellenische Vorbild eines Machiavell heißen kann! Plato ist der Flügelmann der preußischen Aristokratie der Geistreichen, die jetzt die Stelle der ehemaligen Potsdamer Riesen einnehmen. Den Zeitgenossen Plato’s war seine Republik eine Restauration der Staatswissenschaften. Für uns soll sie aber die höchste Wichtigkeit haben. Man hat sehr oft die Frage aufgeworfen, ob Plato sich die Mög-

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/102>, abgerufen am 07.05.2024.