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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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läugnung aller Liebe und alles Vertrauens. In Preußen sind die Prediger nach Vorschriften der Consistorien gehalten, solche Themata ihren Vorträgen an bestimmten Sonntagen unterzulegen. Aber es freut mich, daß diese Fürstendiener ihre Zwecke durch ihr eignes Verfahren zerstören. Der größte Theil ihrer Zuhörer besteht aus genießenden Residenzbewohnern, die die ganze Woche Sorge tragen, die unangenehmen Eindrücke der Zeitgeschichte von sich fern zu halten. Des Sonntags holen sich diese aus den Kirchen nichts weniger als Trost und Beruhigung; es werden das erst recht die Oerter, wo die Wunden aufbrechen und das Blut wieder zu fließen anfängt.

Die letzte Classe unterscheidet sich zwar von der vorigen durch die Art der Auffassung nicht, doch steht sie tief unter jener, weil sie unredlicher ist. Die sächsischen Hof- und Leibpastoren brüsten sich mit ihrer Freisinnigkeit, ihrem Lutherthum, und was in bestimmten, vorliegenden Fällen, wo sie zeigen konnten, an welchem Fleck ihnen das Herz sitzt, aus ihrem kühnen Munde gegangen ist, beweisen die kurz nach den sächsischen Unruhen in Leipzig, Altenburg, Dresden und sonst gehaltenen Predigten.

Da stehen wir wieder bei unsern Jesuitenhelden, den Vorkämpfern für Licht und Wahrheit,

läugnung aller Liebe und alles Vertrauens. In Preußen sind die Prediger nach Vorschriften der Consistorien gehalten, solche Themata ihren Vorträgen an bestimmten Sonntagen unterzulegen. Aber es freut mich, daß diese Fürstendiener ihre Zwecke durch ihr eignes Verfahren zerstören. Der größte Theil ihrer Zuhörer besteht aus genießenden Residenzbewohnern, die die ganze Woche Sorge tragen, die unangenehmen Eindrücke der Zeitgeschichte von sich fern zu halten. Des Sonntags holen sich diese aus den Kirchen nichts weniger als Trost und Beruhigung; es werden das erst recht die Oerter, wo die Wunden aufbrechen und das Blut wieder zu fließen anfängt.

Die letzte Classe unterscheidet sich zwar von der vorigen durch die Art der Auffassung nicht, doch steht sie tief unter jener, weil sie unredlicher ist. Die sächsischen Hof- und Leibpastoren brüsten sich mit ihrer Freisinnigkeit, ihrem Lutherthum, und was in bestimmten, vorliegenden Fällen, wo sie zeigen konnten, an welchem Fleck ihnen das Herz sitzt, aus ihrem kühnen Munde gegangen ist, beweisen die kurz nach den sächsischen Unruhen in Leipzig, Altenburg, Dresden und sonst gehaltenen Predigten.

Da stehen wir wieder bei unsern Jesuitenhelden, den Vorkämpfern für Licht und Wahrheit,

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[104/0117] läugnung aller Liebe und alles Vertrauens. In Preußen sind die Prediger nach Vorschriften der Consistorien gehalten, solche Themata ihren Vorträgen an bestimmten Sonntagen unterzulegen. Aber es freut mich, daß diese Fürstendiener ihre Zwecke durch ihr eignes Verfahren zerstören. Der größte Theil ihrer Zuhörer besteht aus genießenden Residenzbewohnern, die die ganze Woche Sorge tragen, die unangenehmen Eindrücke der Zeitgeschichte von sich fern zu halten. Des Sonntags holen sich diese aus den Kirchen nichts weniger als Trost und Beruhigung; es werden das erst recht die Oerter, wo die Wunden aufbrechen und das Blut wieder zu fließen anfängt. Die letzte Classe unterscheidet sich zwar von der vorigen durch die Art der Auffassung nicht, doch steht sie tief unter jener, weil sie unredlicher ist. Die sächsischen Hof- und Leibpastoren brüsten sich mit ihrer Freisinnigkeit, ihrem Lutherthum, und was in bestimmten, vorliegenden Fällen, wo sie zeigen konnten, an welchem Fleck ihnen das Herz sitzt, aus ihrem kühnen Munde gegangen ist, beweisen die kurz nach den sächsischen Unruhen in Leipzig, Altenburg, Dresden und sonst gehaltenen Predigten. Da stehen wir wieder bei unsern Jesuitenhelden, den Vorkämpfern für Licht und Wahrheit,

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/117>, abgerufen am 06.05.2024.