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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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ich die goldenen Kuppeln und die Fenster hoher Paläste in dem Wiederschein sinkender Sonnenstrahlen funkeln sehe.

Daß doch nur das Land der Erinnerung in solchen Sonnenfernen strahlt! Daß Nichts hell und glänzend ist, als was durchlebt schon hinter uns liegt! Daß auf der Gegenwart nur die trüben Nebel des Morgengrauens ruhen, und die Zukunft nur eine sternenlose Nacht ist!

Ich gäbe die noch übrige Spanne meines Lebens gern hin, wenn ich jenen Augenblick noch einmal leben könnte, da ich an der Hand einer freundlichen Mutter -- ich weiß nicht, was da zu lachen ist! -- an einem heiligen Tage zur Kirche gieng, und die blendend weißen Mauern eines neu erbauten Domes unter Glockenklang im Sonnenlichte schimmern sah. Du bist in der That zu heidnisch gesinnt, als daß Du bei der Nachmittagsruhe eines stillen Freitags an die ferne Heimath Deiner Jugend denken solltest! Für so Etwas hast Du wohl gar keinen Sinn -- in die dunkeln Gänge einer Kirche mit Gebet eingehen, dann mit leisem Fußtritt und pochendem Herzen durch die hallenden, noch leeren Räume treten, vor dem ersten Ton der Orgel zusammenschrecken -- das ist Dir Alles unbekannt?

ich die goldenen Kuppeln und die Fenster hoher Paläste in dem Wiederschein sinkender Sonnenstrahlen funkeln sehe.

Daß doch nur das Land der Erinnerung in solchen Sonnenfernen strahlt! Daß Nichts hell und glänzend ist, als was durchlebt schon hinter uns liegt! Daß auf der Gegenwart nur die trüben Nebel des Morgengrauens ruhen, und die Zukunft nur eine sternenlose Nacht ist!

Ich gäbe die noch übrige Spanne meines Lebens gern hin, wenn ich jenen Augenblick noch einmal leben könnte, da ich an der Hand einer freundlichen Mutter — ich weiß nicht, was da zu lachen ist! — an einem heiligen Tage zur Kirche gieng, und die blendend weißen Mauern eines neu erbauten Domes unter Glockenklang im Sonnenlichte schimmern sah. Du bist in der That zu heidnisch gesinnt, als daß Du bei der Nachmittagsruhe eines stillen Freitags an die ferne Heimath Deiner Jugend denken solltest! Für so Etwas hast Du wohl gar keinen Sinn — in die dunkeln Gänge einer Kirche mit Gebet eingehen, dann mit leisem Fußtritt und pochendem Herzen durch die hallenden, noch leeren Räume treten, vor dem ersten Ton der Orgel zusammenschrecken — das ist Dir Alles unbekannt?

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[125/0138] ich die goldenen Kuppeln und die Fenster hoher Paläste in dem Wiederschein sinkender Sonnenstrahlen funkeln sehe. Daß doch nur das Land der Erinnerung in solchen Sonnenfernen strahlt! Daß Nichts hell und glänzend ist, als was durchlebt schon hinter uns liegt! Daß auf der Gegenwart nur die trüben Nebel des Morgengrauens ruhen, und die Zukunft nur eine sternenlose Nacht ist! Ich gäbe die noch übrige Spanne meines Lebens gern hin, wenn ich jenen Augenblick noch einmal leben könnte, da ich an der Hand einer freundlichen Mutter — ich weiß nicht, was da zu lachen ist! — an einem heiligen Tage zur Kirche gieng, und die blendend weißen Mauern eines neu erbauten Domes unter Glockenklang im Sonnenlichte schimmern sah. Du bist in der That zu heidnisch gesinnt, als daß Du bei der Nachmittagsruhe eines stillen Freitags an die ferne Heimath Deiner Jugend denken solltest! Für so Etwas hast Du wohl gar keinen Sinn — in die dunkeln Gänge einer Kirche mit Gebet eingehen, dann mit leisem Fußtritt und pochendem Herzen durch die hallenden, noch leeren Räume treten, vor dem ersten Ton der Orgel zusammenschrecken — das ist Dir Alles unbekannt?

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/138>, abgerufen am 30.04.2024.