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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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zweiter Atlas sie auf meinen granitenen Schultern tragen? Meine Arme soll ich ausstrecken, wie zwei Herculessäulen, und den Himmel auf die Erde ziehen? Du willst, ich soll ein Held meines Jahrhunderts werden, Du würdest helfend, schützend, rathend mir zur Seite stehen.

Nicht als setzt' ich irgend ein Mißtrauen in die Kräfte, über die mich eine weise Vorsehung zum Gebieter geordnet hat. Du weißt ja, ich könnte Tausende zu Abgöttern ihrer Zeitgenossen machen, wenn ich ihnen nur ein kleines Theil der Schnell- und Spannkraft meiner geistigen Musculatur durch einen Händedruck eindrücken wollte. Nur sehe ich daran nichts so Unsägliches, wenn ich den Pendel an der Uhr der Zeit in Schwingungen nach meiner Art versetzte! Theure, Du mußt höher stehen, als selbst die Höchsten nach der Menschenmeinung! Hast Du nie mit dem Schädel eines Gottes Kegel gespielt? Aus dem Becher nie Würfel geworfen, die aus den Knochen eines Heiligen der Weltgeschichte gedreht waren? Ich hasse die sogenannten historischen Größen eben so sehr, als den Enthusiasmus, der sich von ihnen entzücken läßt. Nur die friedliche Welt stiller Gemüther kann den schönen Beweis ihrer Unsterblichkeit führen. Bei jedem historischen Factum

zweiter Atlas sie auf meinen granitenen Schultern tragen? Meine Arme soll ich ausstrecken, wie zwei Herculessäulen, und den Himmel auf die Erde ziehen? Du willst, ich soll ein Held meines Jahrhunderts werden, Du würdest helfend, schützend, rathend mir zur Seite stehen.

Nicht als setzt’ ich irgend ein Mißtrauen in die Kräfte, über die mich eine weise Vorsehung zum Gebieter geordnet hat. Du weißt ja, ich könnte Tausende zu Abgöttern ihrer Zeitgenossen machen, wenn ich ihnen nur ein kleines Theil der Schnell- und Spannkraft meiner geistigen Musculatur durch einen Händedruck eindrücken wollte. Nur sehe ich daran nichts so Unsägliches, wenn ich den Pendel an der Uhr der Zeit in Schwingungen nach meiner Art versetzte! Theure, Du mußt höher stehen, als selbst die Höchsten nach der Menschenmeinung! Hast Du nie mit dem Schädel eines Gottes Kegel gespielt? Aus dem Becher nie Würfel geworfen, die aus den Knochen eines Heiligen der Weltgeschichte gedreht waren? Ich hasse die sogenannten historischen Größen eben so sehr, als den Enthusiasmus, der sich von ihnen entzücken läßt. Nur die friedliche Welt stiller Gemüther kann den schönen Beweis ihrer Unsterblichkeit führen. Bei jedem historischen Factum

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[138/0151] zweiter Atlas sie auf meinen granitenen Schultern tragen? Meine Arme soll ich ausstrecken, wie zwei Herculessäulen, und den Himmel auf die Erde ziehen? Du willst, ich soll ein Held meines Jahrhunderts werden, Du würdest helfend, schützend, rathend mir zur Seite stehen. Nicht als setzt’ ich irgend ein Mißtrauen in die Kräfte, über die mich eine weise Vorsehung zum Gebieter geordnet hat. Du weißt ja, ich könnte Tausende zu Abgöttern ihrer Zeitgenossen machen, wenn ich ihnen nur ein kleines Theil der Schnell- und Spannkraft meiner geistigen Musculatur durch einen Händedruck eindrücken wollte. Nur sehe ich daran nichts so Unsägliches, wenn ich den Pendel an der Uhr der Zeit in Schwingungen nach meiner Art versetzte! Theure, Du mußt höher stehen, als selbst die Höchsten nach der Menschenmeinung! Hast Du nie mit dem Schädel eines Gottes Kegel gespielt? Aus dem Becher nie Würfel geworfen, die aus den Knochen eines Heiligen der Weltgeschichte gedreht waren? Ich hasse die sogenannten historischen Größen eben so sehr, als den Enthusiasmus, der sich von ihnen entzücken läßt. Nur die friedliche Welt stiller Gemüther kann den schönen Beweis ihrer Unsterblichkeit führen. Bei jedem historischen Factum

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/151>, abgerufen am 06.05.2024.