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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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spielen! Ich glaube fast, Sie setzten sich unter dieser großartigen Bergpredigt Gottes hin, und strickten Strümpfe! Kommen Sie, Verehrtester, bieten Sie mir Ihren Arm!"

Nun rissest Du mich fort über die Höhen des Jura, über die Ströme des Rhone, durch die Thäler der Provence, hinauf auf die Pyrenäen. Mit der Taube in gleichem Fluge, kühn wie die Gems stiegen wir in Iberiens Thäler hinab, Du wolltest jetzt den Sitz der noch immer tönenden Glocken ehren, und wieder einen Helden seines Jahrhunderts mitten unter den stolzen Trabanten und Monden seiner Herrschaft aufsuchen.

Aber die Scene veränderte sich. Wir sahen einen Bettler auf der Landstraße. Nackt und wahnsinnig warf er sich uns in den Weg. Was er meinem Ohr vertraute, wolltest Du Neugierige gern wissen. Du bebtest, als ich es nun war, der Deine Schritte beflügelte, die Ermattete anspornte. Auf meinen Schultern trug ich Dich in den Klostergarten beim Escorial.

Nun wußten wir, wo die Glocken hingen, die wir in Welschland schon hatten läuten hören. Nun sahen wir die schwarzverhüllten Priester, die in feierlichem Leichenzuge in das weite Thor der Kirche wallten. Du wußtest nun, wer in dem Sarge lag, wem die tausend Kerzen, die köstlichen

spielen! Ich glaube fast, Sie setzten sich unter dieser großartigen Bergpredigt Gottes hin, und strickten Strümpfe! Kommen Sie, Verehrtester, bieten Sie mir Ihren Arm!"

Nun rissest Du mich fort über die Höhen des Jura, über die Ströme des Rhone, durch die Thäler der Provence, hinauf auf die Pyrenäen. Mit der Taube in gleichem Fluge, kühn wie die Gems stiegen wir in Iberiens Thäler hinab, Du wolltest jetzt den Sitz der noch immer tönenden Glocken ehren, und wieder einen Helden seines Jahrhunderts mitten unter den stolzen Trabanten und Monden seiner Herrschaft aufsuchen.

Aber die Scene veränderte sich. Wir sahen einen Bettler auf der Landstraße. Nackt und wahnsinnig warf er sich uns in den Weg. Was er meinem Ohr vertraute, wolltest Du Neugierige gern wissen. Du bebtest, als ich es nun war, der Deine Schritte beflügelte, die Ermattete anspornte. Auf meinen Schultern trug ich Dich in den Klostergarten beim Escorial.

Nun wußten wir, wo die Glocken hingen, die wir in Welschland schon hatten läuten hören. Nun sahen wir die schwarzverhüllten Priester, die in feierlichem Leichenzuge in das weite Thor der Kirche wallten. Du wußtest nun, wer in dem Sarge lag, wem die tausend Kerzen, die köstlichen

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[142/0155] spielen! Ich glaube fast, Sie setzten sich unter dieser großartigen Bergpredigt Gottes hin, und strickten Strümpfe! Kommen Sie, Verehrtester, bieten Sie mir Ihren Arm!" Nun rissest Du mich fort über die Höhen des Jura, über die Ströme des Rhone, durch die Thäler der Provence, hinauf auf die Pyrenäen. Mit der Taube in gleichem Fluge, kühn wie die Gems stiegen wir in Iberiens Thäler hinab, Du wolltest jetzt den Sitz der noch immer tönenden Glocken ehren, und wieder einen Helden seines Jahrhunderts mitten unter den stolzen Trabanten und Monden seiner Herrschaft aufsuchen. Aber die Scene veränderte sich. Wir sahen einen Bettler auf der Landstraße. Nackt und wahnsinnig warf er sich uns in den Weg. Was er meinem Ohr vertraute, wolltest Du Neugierige gern wissen. Du bebtest, als ich es nun war, der Deine Schritte beflügelte, die Ermattete anspornte. Auf meinen Schultern trug ich Dich in den Klostergarten beim Escorial. Nun wußten wir, wo die Glocken hingen, die wir in Welschland schon hatten läuten hören. Nun sahen wir die schwarzverhüllten Priester, die in feierlichem Leichenzuge in das weite Thor der Kirche wallten. Du wußtest nun, wer in dem Sarge lag, wem die tausend Kerzen, die köstlichen

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/155>, abgerufen am 06.05.2024.