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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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rechten zukommen lassen? Es ist wahr, wir ließen uns einen längern Bart stehen, als der militärisch gut gethan wurde, war das aber ein Grund, die angeblich hölzernen Urquellen dieser Begeisterung abzubrechen, die sandigen Laufgräben in der Hasenhaide zu verschütten, jenen herrlichen Irrgarten ebenda zu zertreten? Die Freiwilligen, die Lützow'schen, die Turnenthusiasten sind Preußens festeste Grundlage; konnte irgend ein anderes deutsches Territorium ihrer Begeisterung größeren Spielraum geben? Wenn so ein purificirter preußischer Demagog es bis zu einem Oberlehrer etwa in Märkisch Friedland gebracht hat, so schreibt er als Ritter des eisernen Kreuzes noch nach den Julitagen ein kleines Gemälde der großen Völkerschlacht bei Leipzig, als Zeitgemäßestes. Ein Arndt, der den Franzosen vorwerfen kann, daß sie nicht wie wir germanischen Blutes sind, ist in den Burschenschaftstrümmern der preußischen Universitäten noch immer der Prophet und Gesalbte. So sehr ich Dich, meine Theure, als Ritterin des Louisenordens verehre, und die Nadelstiche segne, mit denen Du den erblindeten preußischen Kriegern das himmlische Auge der Wehmuth und des gerührten Dankes öffnest, so hat es doch immer Händel gegeben, wenn meine Collegen nicht nur mit 13 und 14, sondern sogar mit Anno 6 anfingen, und von

rechten zukommen lassen? Es ist wahr, wir ließen uns einen längern Bart stehen, als der militärisch gut gethan wurde, war das aber ein Grund, die angeblich hölzernen Urquellen dieser Begeisterung abzubrechen, die sandigen Laufgräben in der Hasenhaide zu verschütten, jenen herrlichen Irrgarten ebenda zu zertreten? Die Freiwilligen, die Lützow’schen, die Turnenthusiasten sind Preußens festeste Grundlage; konnte irgend ein anderes deutsches Territorium ihrer Begeisterung größeren Spielraum geben? Wenn so ein purificirter preußischer Demagog es bis zu einem Oberlehrer etwa in Märkisch Friedland gebracht hat, so schreibt er als Ritter des eisernen Kreuzes noch nach den Julitagen ein kleines Gemälde der großen Völkerschlacht bei Leipzig, als Zeitgemäßestes. Ein Arndt, der den Franzosen vorwerfen kann, daß sie nicht wie wir germanischen Blutes sind, ist in den Burschenschaftstrümmern der preußischen Universitäten noch immer der Prophet und Gesalbte. So sehr ich Dich, meine Theure, als Ritterin des Louisenordens verehre, und die Nadelstiche segne, mit denen Du den erblindeten preußischen Kriegern das himmlische Auge der Wehmuth und des gerührten Dankes öffnest, so hat es doch immer Händel gegeben, wenn meine Collegen nicht nur mit 13 und 14, sondern sogar mit Anno 6 anfingen, und von

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[160/0173] rechten zukommen lassen? Es ist wahr, wir ließen uns einen längern Bart stehen, als der militärisch gut gethan wurde, war das aber ein Grund, die angeblich hölzernen Urquellen dieser Begeisterung abzubrechen, die sandigen Laufgräben in der Hasenhaide zu verschütten, jenen herrlichen Irrgarten ebenda zu zertreten? Die Freiwilligen, die Lützow’schen, die Turnenthusiasten sind Preußens festeste Grundlage; konnte irgend ein anderes deutsches Territorium ihrer Begeisterung größeren Spielraum geben? Wenn so ein purificirter preußischer Demagog es bis zu einem Oberlehrer etwa in Märkisch Friedland gebracht hat, so schreibt er als Ritter des eisernen Kreuzes noch nach den Julitagen ein kleines Gemälde der großen Völkerschlacht bei Leipzig, als Zeitgemäßestes. Ein Arndt, der den Franzosen vorwerfen kann, daß sie nicht wie wir germanischen Blutes sind, ist in den Burschenschaftstrümmern der preußischen Universitäten noch immer der Prophet und Gesalbte. So sehr ich Dich, meine Theure, als Ritterin des Louisenordens verehre, und die Nadelstiche segne, mit denen Du den erblindeten preußischen Kriegern das himmlische Auge der Wehmuth und des gerührten Dankes öffnest, so hat es doch immer Händel gegeben, wenn meine Collegen nicht nur mit 13 und 14, sondern sogar mit Anno 6 anfingen, und von

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/173>, abgerufen am 06.05.2024.