Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

heit, das Alles steht dem Siege der guten Sache entgegen. Noch werden sich Viele von ihr darum abwenden, weil die wenigen Erkennungs- und Stichwörter des Liberalismus ihrer Phantasie nicht zusagen. An Vieles gewöhnt, finden sie da nur wenig. Sie lesen oft so schwache, unreife Behandlungen liberaler Doctrinen, die sich durch Nichts auszeichnen, als durch ihren guten Willen, aber wenn man auch die Tiefe der Begründung, die Form des Geistreichen selbst im Ausdruck schätzen muß, so dürfen sie doch in einer Zeit, wo nur die Massen siegen, sich von ihnen nicht lossagen, ohne eigenen Schaden.

Es gibt noch Andere, die aus andern Gründen dem Liberalismus untreu geworden sind. Sie konnten den Nachwuchs eines neuen Geschlechts nicht ertragen, sie wollten nicht, daß man munterer, dreister dem gemeinschaftlichen Feinde die Spitze bieten könne. Es ist in Frankreich ebenso gegangen. Die in der alten französischen Kammer einst die äußerste Linke bildeten, die ausgezeichnetsten Glieder der ehemaligen Opposition sind nur darum in die rechte Mitte des Centrums hinaufgerückt, weil sie nicht ertragen mochten, daß eine Weisheit, die ihnen geborgt war, sich in jugendlichen Gemüthern lebendiger bethätigte. Die Menschen erschrecken nicht so sehr vor dem Was? als

heit, das Alles steht dem Siege der guten Sache entgegen. Noch werden sich Viele von ihr darum abwenden, weil die wenigen Erkennungs- und Stichwörter des Liberalismus ihrer Phantasie nicht zusagen. An Vieles gewöhnt, finden sie da nur wenig. Sie lesen oft so schwache, unreife Behandlungen liberaler Doctrinen, die sich durch Nichts auszeichnen, als durch ihren guten Willen, aber wenn man auch die Tiefe der Begründung, die Form des Geistreichen selbst im Ausdruck schätzen muß, so dürfen sie doch in einer Zeit, wo nur die Massen siegen, sich von ihnen nicht lossagen, ohne eigenen Schaden.

Es gibt noch Andere, die aus andern Gründen dem Liberalismus untreu geworden sind. Sie konnten den Nachwuchs eines neuen Geschlechts nicht ertragen, sie wollten nicht, daß man munterer, dreister dem gemeinschaftlichen Feinde die Spitze bieten könne. Es ist in Frankreich ebenso gegangen. Die in der alten französischen Kammer einst die äußerste Linke bildeten, die ausgezeichnetsten Glieder der ehemaligen Opposition sind nur darum in die rechte Mitte des Centrums hinaufgerückt, weil sie nicht ertragen mochten, daß eine Weisheit, die ihnen geborgt war, sich in jugendlichen Gemüthern lebendiger bethätigte. Die Menschen erschrecken nicht so sehr vor dem Was? als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="216"/>
heit, das Alles steht dem Siege der guten Sache entgegen. Noch werden sich Viele von ihr darum abwenden, weil die wenigen Erkennungs- und Stichwörter des Liberalismus ihrer Phantasie nicht zusagen. An Vieles gewöhnt, finden sie da nur wenig. Sie lesen oft so schwache, unreife Behandlungen liberaler Doctrinen, die sich durch Nichts auszeichnen, als durch ihren guten Willen, aber wenn man auch die Tiefe der Begründung, die Form des Geistreichen selbst im Ausdruck schätzen muß, so dürfen sie doch in einer Zeit, wo nur die Massen siegen, sich von ihnen nicht lossagen, ohne eigenen Schaden.</p>
        <p>Es gibt noch Andere, die aus andern Gründen dem Liberalismus untreu geworden sind. Sie konnten den Nachwuchs eines neuen Geschlechts nicht ertragen, sie wollten nicht, daß man munterer, dreister dem gemeinschaftlichen Feinde die Spitze bieten könne. Es ist in Frankreich ebenso gegangen. Die in der alten französischen Kammer einst die äußerste Linke bildeten, die ausgezeichnetsten Glieder der ehemaligen Opposition sind nur darum in die rechte Mitte des Centrums hinaufgerückt, weil sie nicht ertragen mochten, daß eine Weisheit, die ihnen geborgt war, sich in jugendlichen Gemüthern lebendiger bethätigte. Die Menschen erschrecken nicht so sehr vor dem Was? als
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0229] heit, das Alles steht dem Siege der guten Sache entgegen. Noch werden sich Viele von ihr darum abwenden, weil die wenigen Erkennungs- und Stichwörter des Liberalismus ihrer Phantasie nicht zusagen. An Vieles gewöhnt, finden sie da nur wenig. Sie lesen oft so schwache, unreife Behandlungen liberaler Doctrinen, die sich durch Nichts auszeichnen, als durch ihren guten Willen, aber wenn man auch die Tiefe der Begründung, die Form des Geistreichen selbst im Ausdruck schätzen muß, so dürfen sie doch in einer Zeit, wo nur die Massen siegen, sich von ihnen nicht lossagen, ohne eigenen Schaden. Es gibt noch Andere, die aus andern Gründen dem Liberalismus untreu geworden sind. Sie konnten den Nachwuchs eines neuen Geschlechts nicht ertragen, sie wollten nicht, daß man munterer, dreister dem gemeinschaftlichen Feinde die Spitze bieten könne. Es ist in Frankreich ebenso gegangen. Die in der alten französischen Kammer einst die äußerste Linke bildeten, die ausgezeichnetsten Glieder der ehemaligen Opposition sind nur darum in die rechte Mitte des Centrums hinaufgerückt, weil sie nicht ertragen mochten, daß eine Weisheit, die ihnen geborgt war, sich in jugendlichen Gemüthern lebendiger bethätigte. Die Menschen erschrecken nicht so sehr vor dem Was? als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/229
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/229>, abgerufen am 01.05.2024.