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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Ich weiß, meine Theure, du liebst jene Kühnheit, die in dieser nur auf die materiellsten Dinge gerichteten Zeit noch auf Heiligkeit, auf höhere Weihe ihrer Handlungen zu provociren wagt. Du gestehst die Irrthümer, die einem solchen Muthe gesellt zu sein pflegen, gern ein, willst aber das Erhabene, die Richtung auf das Ewige in jeder Form geehrt wissen. Wenn ich Dir aber die Inquisition in allen ihren Schrecken geschildert habe, fandest Du mich da nicht auch bereitwillig, die Mahnung der Liebe und Freundschaft, die freundliche Zurechtweisung des Irrenden, die Lehre des Erfahrnen und Weisen als die herrlichste Frucht eines frommen Lebens zu erheben? Wenn ich namentlich in Deiner Gegenwart die Thorheit des Cölibats lächerlich machte, bin ich da der Keuschheit, Deinem schönsten Schmucke je zu nahe getreten? Wenn ich die Irrthümer der Hierarchie aufdeckte, und von ihren die Geschichte der Menschheit unauslöschlich befleckenden Folgen sprach, hab' ich dabei je geläugnet, daß ein gottseliger Sinn auch die äußeren Formen unseres Lebens durchdringen soll?--

Ich ehre die Ansicht eines Jeden, wenn ich weiß, daß sie das Erzeugniß seiner Ueberlegung, oder ein Bedürfniß seines Herzens ist. Sie wird in meinen Augen verlieren, wenn sie auch für

Ich weiß, meine Theure, du liebst jene Kühnheit, die in dieser nur auf die materiellsten Dinge gerichteten Zeit noch auf Heiligkeit, auf höhere Weihe ihrer Handlungen zu provociren wagt. Du gestehst die Irrthümer, die einem solchen Muthe gesellt zu sein pflegen, gern ein, willst aber das Erhabene, die Richtung auf das Ewige in jeder Form geehrt wissen. Wenn ich Dir aber die Inquisition in allen ihren Schrecken geschildert habe, fandest Du mich da nicht auch bereitwillig, die Mahnung der Liebe und Freundschaft, die freundliche Zurechtweisung des Irrenden, die Lehre des Erfahrnen und Weisen als die herrlichste Frucht eines frommen Lebens zu erheben? Wenn ich namentlich in Deiner Gegenwart die Thorheit des Cölibats lächerlich machte, bin ich da der Keuschheit, Deinem schönsten Schmucke je zu nahe getreten? Wenn ich die Irrthümer der Hierarchie aufdeckte, und von ihren die Geschichte der Menschheit unauslöschlich befleckenden Folgen sprach, hab’ ich dabei je geläugnet, daß ein gottseliger Sinn auch die äußeren Formen unseres Lebens durchdringen soll?—

Ich ehre die Ansicht eines Jeden, wenn ich weiß, daß sie das Erzeugniß seiner Ueberlegung, oder ein Bedürfniß seines Herzens ist. Sie wird in meinen Augen verlieren, wenn sie auch für

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[16/0029] Ich weiß, meine Theure, du liebst jene Kühnheit, die in dieser nur auf die materiellsten Dinge gerichteten Zeit noch auf Heiligkeit, auf höhere Weihe ihrer Handlungen zu provociren wagt. Du gestehst die Irrthümer, die einem solchen Muthe gesellt zu sein pflegen, gern ein, willst aber das Erhabene, die Richtung auf das Ewige in jeder Form geehrt wissen. Wenn ich Dir aber die Inquisition in allen ihren Schrecken geschildert habe, fandest Du mich da nicht auch bereitwillig, die Mahnung der Liebe und Freundschaft, die freundliche Zurechtweisung des Irrenden, die Lehre des Erfahrnen und Weisen als die herrlichste Frucht eines frommen Lebens zu erheben? Wenn ich namentlich in Deiner Gegenwart die Thorheit des Cölibats lächerlich machte, bin ich da der Keuschheit, Deinem schönsten Schmucke je zu nahe getreten? Wenn ich die Irrthümer der Hierarchie aufdeckte, und von ihren die Geschichte der Menschheit unauslöschlich befleckenden Folgen sprach, hab’ ich dabei je geläugnet, daß ein gottseliger Sinn auch die äußeren Formen unseres Lebens durchdringen soll?— Ich ehre die Ansicht eines Jeden, wenn ich weiß, daß sie das Erzeugniß seiner Ueberlegung, oder ein Bedürfniß seines Herzens ist. Sie wird in meinen Augen verlieren, wenn sie auch für

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/29>, abgerufen am 28.04.2024.