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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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ten, zu verfolgen. Die Weitergehenden näherten sich einem Thale, das zwischen dem eben verlassenen Hügel und einem noch höhern sich ausbreitete. Einige Ruinen alterthümlicher Bauart auf dem letztern gaben dem General Veranlassung, das vorher abgebrochene Gespräch wieder anzuknüpfen.

"Unstreitig -- begann er -- machen solche Ueberbleibsel einer vergangenen Zeit einen Eindruck auf Sie, dessen Zusammenhang mit dem geheimen Schauer des Wunderbaren Ihnen zu errathen nicht schwer sein wird. Ich sage Ihnen aber, dieser Schauer ist nur die Folge der Ueberraschung, der Neuheit, einer gewissen poetischen Erziehung. Mein Schicksal hat mich nicht nur oft in die Nähe solcher geheimer, abgelegener Oerter, auf die die Zeit ihr geheimnißvolles Siegel gedrückt hat, geführt, sondern ich war selbst in einem Lande, wo solche Ruinen von all den Gestalten, die unsre Phantasie und Romanenkenntniß uns nur vorführen kann, belebt waren. Ich war Officier in dem letzten Invasionskriege Frankreichs gegen Spanien. Die Geschichte einer Liebe verwickelte mich in Verlegenheiten, die alle die Absicht hatten, mich durch Ueberraschung, durch den Reiz des Wunderbaren zu verwirren. Die geheimen Umtriebe einer pfäffischen Partei, die Vermummungen an geheimen Oertern, die sonderbarsten Begebnisse, die mir wie

ten, zu verfolgen. Die Weitergehenden näherten sich einem Thale, das zwischen dem eben verlassenen Hügel und einem noch höhern sich ausbreitete. Einige Ruinen alterthümlicher Bauart auf dem letztern gaben dem General Veranlassung, das vorher abgebrochene Gespräch wieder anzuknüpfen.

"Unstreitig — begann er — machen solche Ueberbleibsel einer vergangenen Zeit einen Eindruck auf Sie, dessen Zusammenhang mit dem geheimen Schauer des Wunderbaren Ihnen zu errathen nicht schwer sein wird. Ich sage Ihnen aber, dieser Schauer ist nur die Folge der Ueberraschung, der Neuheit, einer gewissen poetischen Erziehung. Mein Schicksal hat mich nicht nur oft in die Nähe solcher geheimer, abgelegener Oerter, auf die die Zeit ihr geheimnißvolles Siegel gedrückt hat, geführt, sondern ich war selbst in einem Lande, wo solche Ruinen von all den Gestalten, die unsre Phantasie und Romanenkenntniß uns nur vorführen kann, belebt waren. Ich war Officier in dem letzten Invasionskriege Frankreichs gegen Spanien. Die Geschichte einer Liebe verwickelte mich in Verlegenheiten, die alle die Absicht hatten, mich durch Ueberraschung, durch den Reiz des Wunderbaren zu verwirren. Die geheimen Umtriebe einer pfäffischen Partei, die Vermummungen an geheimen Oertern, die sonderbarsten Begebnisse, die mir wie

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[298/0311] ten, zu verfolgen. Die Weitergehenden näherten sich einem Thale, das zwischen dem eben verlassenen Hügel und einem noch höhern sich ausbreitete. Einige Ruinen alterthümlicher Bauart auf dem letztern gaben dem General Veranlassung, das vorher abgebrochene Gespräch wieder anzuknüpfen. "Unstreitig — begann er — machen solche Ueberbleibsel einer vergangenen Zeit einen Eindruck auf Sie, dessen Zusammenhang mit dem geheimen Schauer des Wunderbaren Ihnen zu errathen nicht schwer sein wird. Ich sage Ihnen aber, dieser Schauer ist nur die Folge der Ueberraschung, der Neuheit, einer gewissen poetischen Erziehung. Mein Schicksal hat mich nicht nur oft in die Nähe solcher geheimer, abgelegener Oerter, auf die die Zeit ihr geheimnißvolles Siegel gedrückt hat, geführt, sondern ich war selbst in einem Lande, wo solche Ruinen von all den Gestalten, die unsre Phantasie und Romanenkenntniß uns nur vorführen kann, belebt waren. Ich war Officier in dem letzten Invasionskriege Frankreichs gegen Spanien. Die Geschichte einer Liebe verwickelte mich in Verlegenheiten, die alle die Absicht hatten, mich durch Ueberraschung, durch den Reiz des Wunderbaren zu verwirren. Die geheimen Umtriebe einer pfäffischen Partei, die Vermummungen an geheimen Oertern, die sonderbarsten Begebnisse, die mir wie

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/311>, abgerufen am 29.04.2024.