Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Dritten anzustoßen. Aerger und Angst überwogen denn doch. Raimund Ehlerdts Betrunkenheit hatte Vieles verdorben. Daß Wolny und Martha, die Schwester dieses blaß neben einer jungen Fabrikantentochter sitzenden technischen Dirigenten der Fabrik, noch nicht anwesend waren, wurde unter dem Rutschen der Stühle, dem Klappern der Teller, dem Durcheinander der jugendlichen Stimmen nicht beachtet. Die Generalin hatte allmälig stärkere Fühlung mit einigen der anwesenden Militärs gewonnen und legte keinen besondern Werth auf den ihr bestimmten Ehrencavalier, den Hausherrn selbst, der ihr vorkam, als nähme er nur eine geduldete Stellung im Hause ein. Ihr Sohn hatte ihr das so in die verächtlichste Sprache übersetzt. Von seiner Betheiligung an einer Secretärerbrechung war in der Tragweite ihres Gehörs keine Rede. Selbstprüfung fiel ihr niemals ein. Ewiges Vornehmthun macht zuletzt dumm. Doch war sie fromm. Jeden Sonntag besuchte sie solche Kirchen, wo Hoffnung war, von Personen des Hofes gesehen zu werden. Wolny kam vom Bett seiner Frau. Fast feindlich gesinnt und wie ganz mit der von ihrem Sohn beabsichtigten Wirkung schickte sie ihn zu den Gästen. Es muß! Es muß! rief sie mit gefalteten Händen und deutete Entschlüsse an von höchster Bedeutung. Dora Dritten anzustoßen. Aerger und Angst überwogen denn doch. Raimund Ehlerdts Betrunkenheit hatte Vieles verdorben. Daß Wolny und Martha, die Schwester dieses blaß neben einer jungen Fabrikantentochter sitzenden technischen Dirigenten der Fabrik, noch nicht anwesend waren, wurde unter dem Rutschen der Stühle, dem Klappern der Teller, dem Durcheinander der jugendlichen Stimmen nicht beachtet. Die Generalin hatte allmälig stärkere Fühlung mit einigen der anwesenden Militärs gewonnen und legte keinen besondern Werth auf den ihr bestimmten Ehrencavalier, den Hausherrn selbst, der ihr vorkam, als nähme er nur eine geduldete Stellung im Hause ein. Ihr Sohn hatte ihr das so in die verächtlichste Sprache übersetzt. Von seiner Betheiligung an einer Secretärerbrechung war in der Tragweite ihres Gehörs keine Rede. Selbstprüfung fiel ihr niemals ein. Ewiges Vornehmthun macht zuletzt dumm. Doch war sie fromm. Jeden Sonntag besuchte sie solche Kirchen, wo Hoffnung war, von Personen des Hofes gesehen zu werden. Wolny kam vom Bett seiner Frau. Fast feindlich gesinnt und wie ganz mit der von ihrem Sohn beabsichtigten Wirkung schickte sie ihn zu den Gästen. Es muß! Es muß! rief sie mit gefalteten Händen und deutete Entschlüsse an von höchster Bedeutung. Dora <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0262" n="256"/> Dritten anzustoßen. Aerger und Angst überwogen denn doch. Raimund Ehlerdts Betrunkenheit hatte Vieles verdorben. </p> <p>Daß Wolny und Martha, die Schwester dieses blaß neben einer jungen Fabrikantentochter sitzenden technischen Dirigenten der Fabrik, noch nicht anwesend waren, wurde unter dem Rutschen der Stühle, dem Klappern der Teller, dem Durcheinander der jugendlichen Stimmen nicht beachtet. Die Generalin hatte allmälig stärkere Fühlung mit einigen der anwesenden Militärs gewonnen und legte keinen besondern Werth auf den ihr bestimmten Ehrencavalier, den Hausherrn selbst, der ihr vorkam, als nähme er nur eine geduldete Stellung im Hause ein. Ihr Sohn hatte ihr das so in die verächtlichste Sprache übersetzt. Von seiner Betheiligung an einer Secretärerbrechung war in der Tragweite ihres Gehörs keine Rede. Selbstprüfung fiel ihr niemals ein. Ewiges Vornehmthun macht zuletzt dumm. Doch war sie fromm. Jeden Sonntag besuchte sie solche Kirchen, wo Hoffnung war, von Personen des Hofes gesehen zu werden. </p> <p>Wolny kam vom Bett seiner Frau. Fast feindlich gesinnt und wie ganz mit der von ihrem Sohn beabsichtigten Wirkung schickte sie ihn zu den Gästen. Es muß! Es muß! rief sie mit gefalteten Händen und deutete Entschlüsse an von höchster Bedeutung. Dora </p> </div> </body> </text> </TEI> [256/0262]
Dritten anzustoßen. Aerger und Angst überwogen denn doch. Raimund Ehlerdts Betrunkenheit hatte Vieles verdorben.
Daß Wolny und Martha, die Schwester dieses blaß neben einer jungen Fabrikantentochter sitzenden technischen Dirigenten der Fabrik, noch nicht anwesend waren, wurde unter dem Rutschen der Stühle, dem Klappern der Teller, dem Durcheinander der jugendlichen Stimmen nicht beachtet. Die Generalin hatte allmälig stärkere Fühlung mit einigen der anwesenden Militärs gewonnen und legte keinen besondern Werth auf den ihr bestimmten Ehrencavalier, den Hausherrn selbst, der ihr vorkam, als nähme er nur eine geduldete Stellung im Hause ein. Ihr Sohn hatte ihr das so in die verächtlichste Sprache übersetzt. Von seiner Betheiligung an einer Secretärerbrechung war in der Tragweite ihres Gehörs keine Rede. Selbstprüfung fiel ihr niemals ein. Ewiges Vornehmthun macht zuletzt dumm. Doch war sie fromm. Jeden Sonntag besuchte sie solche Kirchen, wo Hoffnung war, von Personen des Hofes gesehen zu werden.
Wolny kam vom Bett seiner Frau. Fast feindlich gesinnt und wie ganz mit der von ihrem Sohn beabsichtigten Wirkung schickte sie ihn zu den Gästen. Es muß! Es muß! rief sie mit gefalteten Händen und deutete Entschlüsse an von höchster Bedeutung. Dora
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/262>, abgerufen am 17.06.2024. |