Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

eines Tages bei sich selbst, welche die Literatur
und das, was dem Leben durch sie an schönen
Elementen und Staffagen gegeben wird, für eine
Tyrannei und eine despotische Willkür der Dich¬
ter und Künstler halten? Wär' ich selbst Autor,
so würde mich dieser Gedanke erschrecken. Ich
würde die Gleichgültigkeit, die Dummheit der
Masse immer mit einer Strafe verwechseln,
welche ich als Autor für die Zudringlichkeit
meiner Schöpfungen mit Recht einernte. Ich
würde zittern, wenn von Büchern die Rede
kömmt, und würde immer gewärtig sein, daß
Jemand aufträte, und die Literatur in die
Kategorie von Waarenartikeln stellte, von El¬
len- oder Kolonialwaaren, die man nimmt oder
stehen läßt, je nach Bedürfniß. Ich brauche
die Schönheit nicht! Fürchterlich, wenn von
Homer und Ossian die Rede wäre! Ich brauche
nicht einmal die Bestrebungen um das Schöne,
wenn von einem Erstlingsversuche die Rede wäre!

eines Tages bei ſich ſelbſt, welche die Literatur
und das, was dem Leben durch ſie an ſchönen
Elementen und Staffagen gegeben wird, für eine
Tyrannei und eine despotiſche Willkür der Dich¬
ter und Künſtler halten? Wär' ich ſelbſt Autor,
ſo würde mich dieſer Gedanke erſchrecken. Ich
würde die Gleichgültigkeit, die Dummheit der
Maſſe immer mit einer Strafe verwechſeln,
welche ich als Autor für die Zudringlichkeit
meiner Schöpfungen mit Recht einernte. Ich
würde zittern, wenn von Büchern die Rede
kömmt, und würde immer gewärtig ſein, daß
Jemand aufträte, und die Literatur in die
Kategorie von Waarenartikeln ſtellte, von El¬
len- oder Kolonialwaaren, die man nimmt oder
ſtehen läßt, je nach Bedürfniß. Ich brauche
die Schönheit nicht! Fürchterlich, wenn von
Homer und Oſſian die Rede wäre! Ich brauche
nicht einmal die Beſtrebungen um das Schöne,
wenn von einem Erſtlingsverſuche die Rede wäre!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="126"/>
eines Tages bei &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, welche die Literatur<lb/>
und das, was dem Leben durch &#x017F;ie an &#x017F;chönen<lb/>
Elementen und Staffagen gegeben wird, für eine<lb/>
Tyrannei und eine despoti&#x017F;che Willkür der Dich¬<lb/>
ter und Kün&#x017F;tler halten? Wär' ich &#x017F;elb&#x017F;t Autor,<lb/>
&#x017F;o würde mich die&#x017F;er Gedanke er&#x017F;chrecken. Ich<lb/>
würde die Gleichgültigkeit, die Dummheit der<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e immer mit einer Strafe verwech&#x017F;eln,<lb/>
welche ich als Autor für die Zudringlichkeit<lb/>
meiner Schöpfungen mit Recht einernte. Ich<lb/>
würde zittern, wenn von Büchern die Rede<lb/>
kömmt, und würde immer gewärtig &#x017F;ein, daß<lb/>
Jemand aufträte, und die Literatur in die<lb/>
Kategorie von Waarenartikeln &#x017F;tellte, von El¬<lb/>
len- oder Kolonialwaaren, die man nimmt oder<lb/>
&#x017F;tehen läßt, je nach Bedürfniß. Ich brauche<lb/>
die Schönheit nicht! Fürchterlich, wenn von<lb/>
Homer und O&#x017F;&#x017F;ian die Rede wäre! Ich brauche<lb/>
nicht einmal die Be&#x017F;trebungen um das Schöne,<lb/>
wenn von einem Er&#x017F;tlingsver&#x017F;uche die Rede wäre!<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0135] eines Tages bei ſich ſelbſt, welche die Literatur und das, was dem Leben durch ſie an ſchönen Elementen und Staffagen gegeben wird, für eine Tyrannei und eine despotiſche Willkür der Dich¬ ter und Künſtler halten? Wär' ich ſelbſt Autor, ſo würde mich dieſer Gedanke erſchrecken. Ich würde die Gleichgültigkeit, die Dummheit der Maſſe immer mit einer Strafe verwechſeln, welche ich als Autor für die Zudringlichkeit meiner Schöpfungen mit Recht einernte. Ich würde zittern, wenn von Büchern die Rede kömmt, und würde immer gewärtig ſein, daß Jemand aufträte, und die Literatur in die Kategorie von Waarenartikeln ſtellte, von El¬ len- oder Kolonialwaaren, die man nimmt oder ſtehen läßt, je nach Bedürfniß. Ich brauche die Schönheit nicht! Fürchterlich, wenn von Homer und Oſſian die Rede wäre! Ich brauche nicht einmal die Beſtrebungen um das Schöne, wenn von einem Erſtlingsverſuche die Rede wäre!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/135
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/135>, abgerufen am 03.05.2024.