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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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entgegenstellt, kann nicht mehr die Rede sein.
Der Unterschied zwischen den beiden Bekennt¬
nissen ist der, daß der St. Simonismus
das Christenthum antiquirt und durch einige
materielle Philosopheme, nebst kirchlichen frei¬
lich dem alten Glauben entnommenen Institu¬
tionen zu ersetzen sucht, die Worte eines Gläu¬
bigen dagegen auf den demokratischen Ursprung
des Christenthums zurückgehen und unverho¬
len eine republikanische Tendenz desselben aus¬
sprechen. Der St. Simonismus will den Staat
von der Kirche, die Worte eines Gläubigen wol¬
len die Kirche vom Staate befreien. Jener weist
auf die Zukunft, diese auf die Vergangenheit.
Beide aber kränkeln an ähnlichen Gebrechen: der
St. Simonismus an der Philosophasterei: La
Mennais am Katholicismus. Wie soll man in
der Kürze über beide Tendenzen urtheilen?
Beide sind keine Revolutionen, aber sie sind
Symptome. Der St. Simonismus verräth ein

entgegenſtellt, kann nicht mehr die Rede ſein.
Der Unterſchied zwiſchen den beiden Bekennt¬
niſſen iſt der, daß der St. Simonismus
das Chriſtenthum antiquirt und durch einige
materielle Philoſopheme, nebſt kirchlichen frei¬
lich dem alten Glauben entnommenen Inſtitu¬
tionen zu erſetzen ſucht, die Worte eines Gläu¬
bigen dagegen auf den demokratiſchen Urſprung
des Chriſtenthums zurückgehen und unverho¬
len eine republikaniſche Tendenz deſſelben aus¬
ſprechen. Der St. Simonismus will den Staat
von der Kirche, die Worte eines Gläubigen wol¬
len die Kirche vom Staate befreien. Jener weiſt
auf die Zukunft, dieſe auf die Vergangenheit.
Beide aber kränkeln an ähnlichen Gebrechen: der
St. Simonismus an der Philoſophaſterei: La
Mennais am Katholicismus. Wie ſoll man in
der Kürze über beide Tendenzen urtheilen?
Beide ſind keine Revolutionen, aber ſie ſind
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[302[300]/0309] entgegenſtellt, kann nicht mehr die Rede ſein. Der Unterſchied zwiſchen den beiden Bekennt¬ niſſen iſt der, daß der St. Simonismus das Chriſtenthum antiquirt und durch einige materielle Philoſopheme, nebſt kirchlichen frei¬ lich dem alten Glauben entnommenen Inſtitu¬ tionen zu erſetzen ſucht, die Worte eines Gläu¬ bigen dagegen auf den demokratiſchen Urſprung des Chriſtenthums zurückgehen und unverho¬ len eine republikaniſche Tendenz deſſelben aus¬ ſprechen. Der St. Simonismus will den Staat von der Kirche, die Worte eines Gläubigen wol¬ len die Kirche vom Staate befreien. Jener weiſt auf die Zukunft, dieſe auf die Vergangenheit. Beide aber kränkeln an ähnlichen Gebrechen: der St. Simonismus an der Philoſophaſterei: La Mennais am Katholicismus. Wie ſoll man in der Kürze über beide Tendenzen urtheilen? Beide ſind keine Revolutionen, aber ſie ſind Symptome. Der St. Simonismus verräth ein

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 302[300]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/309>, abgerufen am 28.04.2024.