Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

sagen, sie muß schlecht erzogen worden sein.
Gewiß, das war sie.

Cäsar bot Alles auf, ihr die trübe Zeit zu
verkürzen. Er erzählte ihr Beobachtungen aus
Schwalbach, die gar nicht verdienen übergan¬
gen zu werden, z. B. folgende: "Haben Sie
noch nichts vom tollen Bärbel gehört? Das
tolle Bärbel steht den ganzen Tag vom frühen
Morgen bis in die späte Nacht an der Hin¬
terpforte des Gasthofes zu den beiden Indien,
die auf die Landstraße nach Ems hinausführt
und späht in die Extraposten, welche den Berg
herunterkommen. Sie ist von einem etwas ge¬
drückten Wuchse, und hat matte Augen; aber
ihre Gesichtsbildung ist im höchsten Grade ein¬
nehmend, die Haut von der ganzen Feine und
Weiße, welche zu blondem Haare gehört, um
blonde Mädchen erträglich zu machen. Der
Reiz Bärbels würde noch weit mehr hervortre¬
ten, wenn die fixe Idee, welche sie beherrschen

ſagen, ſie muß ſchlecht erzogen worden ſein.
Gewiß, das war ſie.

Cäſar bot Alles auf, ihr die trübe Zeit zu
verkürzen. Er erzählte ihr Beobachtungen aus
Schwalbach, die gar nicht verdienen übergan¬
gen zu werden, z. B. folgende: „Haben Sie
noch nichts vom tollen Bärbel gehört? Das
tolle Bärbel ſteht den ganzen Tag vom frühen
Morgen bis in die ſpäte Nacht an der Hin¬
terpforte des Gaſthofes zu den beiden Indien,
die auf die Landſtraße nach Ems hinausführt
und ſpäht in die Extrapoſten, welche den Berg
herunterkommen. Sie iſt von einem etwas ge¬
drückten Wuchſe, und hat matte Augen; aber
ihre Geſichtsbildung iſt im höchſten Grade ein¬
nehmend, die Haut von der ganzen Feine und
Weiße, welche zu blondem Haare gehört, um
blonde Mädchen erträglich zu machen. Der
Reiz Bärbels würde noch weit mehr hervortre¬
ten, wenn die fixe Idee, welche ſie beherrſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="54"/>
&#x017F;agen, &#x017F;ie muß &#x017F;chlecht erzogen worden &#x017F;ein.<lb/>
Gewiß, das war &#x017F;ie.</p><lb/>
          <p>&#x017F;ar bot Alles auf, ihr die trübe Zeit zu<lb/>
verkürzen. Er erzählte ihr Beobachtungen aus<lb/>
Schwalbach, die gar nicht verdienen übergan¬<lb/>
gen zu werden, z. B. folgende: &#x201E;Haben Sie<lb/>
noch nichts vom tollen Bärbel gehört? Das<lb/>
tolle Bärbel &#x017F;teht den ganzen Tag vom frühen<lb/>
Morgen bis in die &#x017F;päte Nacht an der Hin¬<lb/>
terpforte des Ga&#x017F;thofes zu den beiden Indien,<lb/>
die auf die Land&#x017F;traße nach Ems hinausführt<lb/>
und &#x017F;päht in die Extrapo&#x017F;ten, welche den Berg<lb/>
herunterkommen. Sie i&#x017F;t von einem etwas ge¬<lb/>
drückten Wuch&#x017F;e, und hat matte Augen; aber<lb/>
ihre Ge&#x017F;ichtsbildung i&#x017F;t im höch&#x017F;ten Grade ein¬<lb/>
nehmend, die Haut von der ganzen Feine und<lb/>
Weiße, welche zu blondem Haare gehört, um<lb/>
blonde Mädchen erträglich zu machen. Der<lb/>
Reiz Bärbels würde noch weit mehr hervortre¬<lb/>
ten, wenn die fixe Idee, welche &#x017F;ie beherr&#x017F;chen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0063] ſagen, ſie muß ſchlecht erzogen worden ſein. Gewiß, das war ſie. Cäſar bot Alles auf, ihr die trübe Zeit zu verkürzen. Er erzählte ihr Beobachtungen aus Schwalbach, die gar nicht verdienen übergan¬ gen zu werden, z. B. folgende: „Haben Sie noch nichts vom tollen Bärbel gehört? Das tolle Bärbel ſteht den ganzen Tag vom frühen Morgen bis in die ſpäte Nacht an der Hin¬ terpforte des Gaſthofes zu den beiden Indien, die auf die Landſtraße nach Ems hinausführt und ſpäht in die Extrapoſten, welche den Berg herunterkommen. Sie iſt von einem etwas ge¬ drückten Wuchſe, und hat matte Augen; aber ihre Geſichtsbildung iſt im höchſten Grade ein¬ nehmend, die Haut von der ganzen Feine und Weiße, welche zu blondem Haare gehört, um blonde Mädchen erträglich zu machen. Der Reiz Bärbels würde noch weit mehr hervortre¬ ten, wenn die fixe Idee, welche ſie beherrſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/63
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/63>, abgerufen am 27.04.2024.