Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

nen und schlug die Morgenreveille mit matten
Händen. Das Feuer seiner Augen erlosch. Er
fluchte seinem Instrumente, fluchte der Artil¬
lerie und ihren Trompeten. Was hatte er an
seiner Trommel! diesem dummen Lärmkasten,
bei dessen Tönen sich die Gebildeten der Na¬
tion das Ohr zuhalten, dieser Klangma¬
schine, die, wie man mich in meiner Kindheit
überredete, nur dazu da ist, auf dem Schlacht¬
felde das Geschrei der Verwundeten zu über¬
täuben! Zum Unglück gab es Augenblicke, wo
der Tambour nichtsdestoweniger auf sein In¬
strument eifersüchtig wurde. Ist es nicht das
wohlthätigste Instrument, schlußfolgerte er, wenn
es den Menschen anzeigt, wo Feuer ausgebro¬
chen ist, um welche Zeit das Thor geschlossen
wird; kann es rührendere Töne geben, als die
dumpfen Wirbel beim Begräbnisse eines mei¬
ner Kameraden! Bei der Erinnerung an den
Tod stürzten ihm die Thränen aus den Augen,

nen und ſchlug die Morgenreveille mit matten
Händen. Das Feuer ſeiner Augen erloſch. Er
fluchte ſeinem Inſtrumente, fluchte der Artil¬
lerie und ihren Trompeten. Was hatte er an
ſeiner Trommel! dieſem dummen Lärmkaſten,
bei deſſen Tönen ſich die Gebildeten der Na¬
tion das Ohr zuhalten, dieſer Klangma¬
ſchine, die, wie man mich in meiner Kindheit
überredete, nur dazu da iſt, auf dem Schlacht¬
felde das Geſchrei der Verwundeten zu über¬
täuben! Zum Unglück gab es Augenblicke, wo
der Tambour nichtsdeſtoweniger auf ſein In¬
ſtrument eiferſüchtig wurde. Iſt es nicht das
wohlthätigſte Inſtrument, ſchlußfolgerte er, wenn
es den Menſchen anzeigt, wo Feuer ausgebro¬
chen iſt, um welche Zeit das Thor geſchloſſen
wird; kann es rührendere Töne geben, als die
dumpfen Wirbel beim Begräbniſſe eines mei¬
ner Kameraden! Bei der Erinnerung an den
Tod ſtürzten ihm die Thränen aus den Augen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0072" n="63"/>
nen und &#x017F;chlug die Morgenreveille mit matten<lb/>
Händen. Das Feuer &#x017F;einer Augen erlo&#x017F;ch. Er<lb/>
fluchte &#x017F;einem In&#x017F;trumente, fluchte der Artil¬<lb/>
lerie und ihren Trompeten. Was hatte er an<lb/>
&#x017F;einer Trommel! die&#x017F;em dummen Lärmka&#x017F;ten,<lb/>
bei de&#x017F;&#x017F;en Tönen &#x017F;ich die Gebildeten der Na¬<lb/>
tion das Ohr zuhalten, die&#x017F;er Klangma¬<lb/>
&#x017F;chine, die, wie man mich in meiner Kindheit<lb/>
überredete, nur dazu da i&#x017F;t, auf dem Schlacht¬<lb/>
felde das Ge&#x017F;chrei der Verwundeten zu über¬<lb/>
täuben! Zum Unglück gab es Augenblicke, wo<lb/>
der Tambour nichtsde&#x017F;toweniger auf &#x017F;ein In¬<lb/>
&#x017F;trument eifer&#x017F;üchtig wurde. I&#x017F;t es nicht das<lb/>
wohlthätig&#x017F;te In&#x017F;trument, &#x017F;chlußfolgerte er, wenn<lb/>
es den Men&#x017F;chen anzeigt, wo Feuer ausgebro¬<lb/>
chen i&#x017F;t, um welche Zeit das Thor ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wird; kann es rührendere Töne geben, als die<lb/>
dumpfen Wirbel beim Begräbni&#x017F;&#x017F;e eines mei¬<lb/>
ner Kameraden! Bei der Erinnerung an den<lb/>
Tod &#x017F;türzten ihm die Thränen aus den Augen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0072] nen und ſchlug die Morgenreveille mit matten Händen. Das Feuer ſeiner Augen erloſch. Er fluchte ſeinem Inſtrumente, fluchte der Artil¬ lerie und ihren Trompeten. Was hatte er an ſeiner Trommel! dieſem dummen Lärmkaſten, bei deſſen Tönen ſich die Gebildeten der Na¬ tion das Ohr zuhalten, dieſer Klangma¬ ſchine, die, wie man mich in meiner Kindheit überredete, nur dazu da iſt, auf dem Schlacht¬ felde das Geſchrei der Verwundeten zu über¬ täuben! Zum Unglück gab es Augenblicke, wo der Tambour nichtsdeſtoweniger auf ſein In¬ ſtrument eiferſüchtig wurde. Iſt es nicht das wohlthätigſte Inſtrument, ſchlußfolgerte er, wenn es den Menſchen anzeigt, wo Feuer ausgebro¬ chen iſt, um welche Zeit das Thor geſchloſſen wird; kann es rührendere Töne geben, als die dumpfen Wirbel beim Begräbniſſe eines mei¬ ner Kameraden! Bei der Erinnerung an den Tod ſtürzten ihm die Thränen aus den Augen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/72
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/72>, abgerufen am 27.04.2024.