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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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Ton einer Trommel vorkommen muß. Nachts
schreckt sie aus dem Schlaf auf, zeigt mit stie¬
rem Blick auf die Thür, wo sie den blassen,
kleinen Mann mit seinem Instrumente zu er¬
blicken glaubt; sie hat nicht Ruhe, wie tief sie
sich auch in die Kissen des Bettes hineinwühlt.
Die Aerzte nennen dies eine unnatürlich prä¬
ponderirende Kraft des Gehörsinnes und kön¬
nen sich auf die gleichzeitige Thatsache berufen,
daß alle übrigen Sinne der Frau allmählich
schwinden, und der übermäßig hervorbrechenden
Gehörskraft zu weichen scheinen. Dabei ist sie
abgefallen und bleich, ihr äußerer Körper ver¬
ringert sich immer mehr: ich sahe sie, es ist
eine ganz absorbirte Erscheinung, die Grausen
erregt. Sie selbst hat den festen Glauben an
die Rache des Tambours, oder wie es diese
Leute nennen, daß er im Grabe keine Ruhe
habe. Sie versicherte mich, daß das Gespenst
ihr überallhin folge, in Küche, Boden und Kel¬

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Ton einer Trommel vorkommen muß. Nachts
ſchreckt ſie aus dem Schlaf auf, zeigt mit ſtie¬
rem Blick auf die Thür, wo ſie den blaſſen,
kleinen Mann mit ſeinem Inſtrumente zu er¬
blicken glaubt; ſie hat nicht Ruhe, wie tief ſie
ſich auch in die Kiſſen des Bettes hineinwühlt.
Die Aerzte nennen dies eine unnatürlich prä¬
ponderirende Kraft des Gehörſinnes und kön¬
nen ſich auf die gleichzeitige Thatſache berufen,
daß alle übrigen Sinne der Frau allmählich
ſchwinden, und der übermäßig hervorbrechenden
Gehörskraft zu weichen ſcheinen. Dabei iſt ſie
abgefallen und bleich, ihr äußerer Körper ver¬
ringert ſich immer mehr: ich ſahe ſie, es iſt
eine ganz abſorbirte Erſcheinung, die Grauſen
erregt. Sie ſelbſt hat den feſten Glauben an
die Rache des Tambours, oder wie es dieſe
Leute nennen, daß er im Grabe keine Ruhe
habe. Sie verſicherte mich, daß das Geſpenſt
ihr überallhin folge, in Küche, Boden und Kel¬

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[67/0076] Ton einer Trommel vorkommen muß. Nachts ſchreckt ſie aus dem Schlaf auf, zeigt mit ſtie¬ rem Blick auf die Thür, wo ſie den blaſſen, kleinen Mann mit ſeinem Inſtrumente zu er¬ blicken glaubt; ſie hat nicht Ruhe, wie tief ſie ſich auch in die Kiſſen des Bettes hineinwühlt. Die Aerzte nennen dies eine unnatürlich prä¬ ponderirende Kraft des Gehörſinnes und kön¬ nen ſich auf die gleichzeitige Thatſache berufen, daß alle übrigen Sinne der Frau allmählich ſchwinden, und der übermäßig hervorbrechenden Gehörskraft zu weichen ſcheinen. Dabei iſt ſie abgefallen und bleich, ihr äußerer Körper ver¬ ringert ſich immer mehr: ich ſahe ſie, es iſt eine ganz abſorbirte Erſcheinung, die Grauſen erregt. Sie ſelbſt hat den feſten Glauben an die Rache des Tambours, oder wie es dieſe Leute nennen, daß er im Grabe keine Ruhe habe. Sie verſicherte mich, daß das Geſpenſt ihr überallhin folge, in Küche, Boden und Kel¬ 5 *

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/76>, abgerufen am 27.04.2024.