Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

das ihnen mit der Ausübung jeder Religion und jedes einzelnen Sektenglaubens stets verknüpft werden zu müssen scheint, im völligen Gegensatze zum Katholicismus, der in Südamerika keine Rast und Ruhe, kein Mitleid und Erbarmen hatte, um sich allgemein zu machen. Auffallend! Es ist, als hätte die feste Ueberzeugung, welche die Protestanten von ihrem Glauben zu beseelen pflegt, weit mehr Genüge an sich selbst und Zufriedenheit, als der Katholicismus, der, je unhaltbarer er sich fühlt, desto weitere Verbreitung sucht, und durch die Anzahl seiner Bekenner gleichsam sein unruhiges Gewissen zu übertäuben sucht. Der Nordamerikaner hat überdieß seine Religion nur für den Cultus, nicht für die Discussion. Sie ist ihm etwas Angebornes, das er andern ohne das Christenthum auf die Welt Gekommenen mitzutheilen verzweifelt. Darum wird man selten davon hören, daß der Bekehrungseifer bei den Unternehmungen gegen die Jndianerstämme eine große Rolle gespielt habe. Dieß um so weniger, da der Sektengeist gemeinsame diesen Zweck verfolgende Maßregeln lähmt, und es noch schwerer ist, einen Wilden erst für das Thema, und dann sogleich für eine specielle Auslegung desselben zu gewinnen.

Wenn demnach die religiöse Propaganda die politische in Nordamerika zu verhindern, oder wenigstens nicht zu unterstützen scheint, so ist doch, wenn wir von der Zukunft des neuen Welttheils die oben angedeutete Vorstellung hegen, grade in diesem Mißverhältnisse der

das ihnen mit der Ausübung jeder Religion und jedes einzelnen Sektenglaubens stets verknüpft werden zu müssen scheint, im völligen Gegensatze zum Katholicismus, der in Südamerika keine Rast und Ruhe, kein Mitleid und Erbarmen hatte, um sich allgemein zu machen. Auffallend! Es ist, als hätte die feste Ueberzeugung, welche die Protestanten von ihrem Glauben zu beseelen pflegt, weit mehr Genüge an sich selbst und Zufriedenheit, als der Katholicismus, der, je unhaltbarer er sich fühlt, desto weitere Verbreitung sucht, und durch die Anzahl seiner Bekenner gleichsam sein unruhiges Gewissen zu übertäuben sucht. Der Nordamerikaner hat überdieß seine Religion nur für den Cultus, nicht für die Discussion. Sie ist ihm etwas Angebornes, das er andern ohne das Christenthum auf die Welt Gekommenen mitzutheilen verzweifelt. Darum wird man selten davon hören, daß der Bekehrungseifer bei den Unternehmungen gegen die Jndianerstämme eine große Rolle gespielt habe. Dieß um so weniger, da der Sektengeist gemeinsame diesen Zweck verfolgende Maßregeln lähmt, und es noch schwerer ist, einen Wilden erst für das Thema, und dann sogleich für eine specielle Auslegung desselben zu gewinnen.

Wenn demnach die religiöse Propaganda die politische in Nordamerika zu verhindern, oder wenigstens nicht zu unterstützen scheint, so ist doch, wenn wir von der Zukunft des neuen Welttheils die oben angedeutete Vorstellung hegen, grade in diesem Mißverhältnisse der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0159" n="131"/>
das ihnen mit der Ausübung jeder Religion und jedes einzelnen Sektenglaubens stets verknüpft werden zu müssen scheint, im völligen Gegensatze zum Katholicismus, der in Südamerika keine Rast und Ruhe, kein Mitleid und Erbarmen hatte, um sich allgemein zu machen. Auffallend! Es ist, als hätte die feste Ueberzeugung, welche die Protestanten von ihrem Glauben zu beseelen pflegt, weit mehr Genüge an sich selbst und Zufriedenheit, als der Katholicismus, der, je unhaltbarer er sich fühlt, desto weitere Verbreitung sucht, und durch die Anzahl seiner Bekenner gleichsam sein unruhiges Gewissen zu übertäuben sucht. Der Nordamerikaner hat überdieß seine Religion nur für den Cultus, nicht für die Discussion. Sie ist ihm etwas Angebornes, das er andern ohne das Christenthum auf die Welt Gekommenen mitzutheilen verzweifelt. Darum wird man selten davon hören, daß der Bekehrungseifer bei den Unternehmungen gegen die Jndianerstämme eine große Rolle gespielt habe. Dieß um so weniger, da der Sektengeist gemeinsame diesen Zweck verfolgende Maßregeln lähmt, und es noch schwerer ist, einen Wilden erst für das Thema, und dann sogleich für eine specielle Auslegung desselben zu gewinnen.</p>
        <p>Wenn demnach die religiöse Propaganda die politische in Nordamerika zu verhindern, oder wenigstens nicht zu unterstützen scheint, so ist doch, wenn wir von der Zukunft des neuen Welttheils die oben angedeutete Vorstellung hegen, grade in diesem Mißverhältnisse der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0159] das ihnen mit der Ausübung jeder Religion und jedes einzelnen Sektenglaubens stets verknüpft werden zu müssen scheint, im völligen Gegensatze zum Katholicismus, der in Südamerika keine Rast und Ruhe, kein Mitleid und Erbarmen hatte, um sich allgemein zu machen. Auffallend! Es ist, als hätte die feste Ueberzeugung, welche die Protestanten von ihrem Glauben zu beseelen pflegt, weit mehr Genüge an sich selbst und Zufriedenheit, als der Katholicismus, der, je unhaltbarer er sich fühlt, desto weitere Verbreitung sucht, und durch die Anzahl seiner Bekenner gleichsam sein unruhiges Gewissen zu übertäuben sucht. Der Nordamerikaner hat überdieß seine Religion nur für den Cultus, nicht für die Discussion. Sie ist ihm etwas Angebornes, das er andern ohne das Christenthum auf die Welt Gekommenen mitzutheilen verzweifelt. Darum wird man selten davon hören, daß der Bekehrungseifer bei den Unternehmungen gegen die Jndianerstämme eine große Rolle gespielt habe. Dieß um so weniger, da der Sektengeist gemeinsame diesen Zweck verfolgende Maßregeln lähmt, und es noch schwerer ist, einen Wilden erst für das Thema, und dann sogleich für eine specielle Auslegung desselben zu gewinnen. Wenn demnach die religiöse Propaganda die politische in Nordamerika zu verhindern, oder wenigstens nicht zu unterstützen scheint, so ist doch, wenn wir von der Zukunft des neuen Welttheils die oben angedeutete Vorstellung hegen, grade in diesem Mißverhältnisse der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/159
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/159>, abgerufen am 29.04.2024.