Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

entschuldigen dürfte. Der individuelle Hochmuth mischt sich hinein, er spricht weniger von seinem Lande, als von sich, seinem Vater und seinem ältesten Sohne, von seinem Geschäft und seinem Folio in der Bank von New-York. Jch begreife nicht, wie man zu gleicher Zeit ein so großer Christ und ein so großer Prahlhans seyn kann. John Bull lügt auch, aber nicht aus Jnteresse, sondern weil es ihm Spaß macht, Jemanden etwas aufzuhängen.

Doch ist es unsere Absicht, später, wenn wir die einzelnen Volkszustände unsre Revue passiren lassen, auf Nordamerika wieder zurückzukommen. Hier betrachteten wir nur die Stellung der Union zu dem allgemeinen Charakter der Gegenwart und suchten Momente herauszuscheiden, welche für den Universalismus der Geschichte von Bedeutung hätten seyn können. Wir haben gefunden, daß Amerika den Namen der neuen Welt recht gern verdient, aber nicht den der besten. Wir sind weit entfernt geblieben, die Zukunft Europa's an die seiner Nebenbuhlerin zu knüpfen. Und dennoch drängt sich mir am Schlusse dieser Betrachtung der Gedanke auf, als ob das innere Wesen beider Welttheile nicht einen Coincidenzpunkt hätte, der sie einander näher bringen müßte? Das ist die Gewaltthätigkeit, die Tyrannei hier wie dort in den Fragen, welche die Existenz entscheiden, in Amerika die Sklaverei. Die Sklaverei ist ein Element im Leben Nordamerika's, welches Analogien mit europäischen Zuständen zuläßt: der Feudalismus

entschuldigen dürfte. Der individuelle Hochmuth mischt sich hinein, er spricht weniger von seinem Lande, als von sich, seinem Vater und seinem ältesten Sohne, von seinem Geschäft und seinem Folio in der Bank von New-York. Jch begreife nicht, wie man zu gleicher Zeit ein so großer Christ und ein so großer Prahlhans seyn kann. John Bull lügt auch, aber nicht aus Jnteresse, sondern weil es ihm Spaß macht, Jemanden etwas aufzuhängen.

Doch ist es unsere Absicht, später, wenn wir die einzelnen Volkszustände unsre Revue passiren lassen, auf Nordamerika wieder zurückzukommen. Hier betrachteten wir nur die Stellung der Union zu dem allgemeinen Charakter der Gegenwart und suchten Momente herauszuscheiden, welche für den Universalismus der Geschichte von Bedeutung hätten seyn können. Wir haben gefunden, daß Amerika den Namen der neuen Welt recht gern verdient, aber nicht den der besten. Wir sind weit entfernt geblieben, die Zukunft Europa’s an die seiner Nebenbuhlerin zu knüpfen. Und dennoch drängt sich mir am Schlusse dieser Betrachtung der Gedanke auf, als ob das innere Wesen beider Welttheile nicht einen Coincidenzpunkt hätte, der sie einander näher bringen müßte? Das ist die Gewaltthätigkeit, die Tyrannei hier wie dort in den Fragen, welche die Existenz entscheiden, in Amerika die Sklaverei. Die Sklaverei ist ein Element im Leben Nordamerika’s, welches Analogien mit europäischen Zuständen zuläßt: der Feudalismus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="149"/>
entschuldigen dürfte. Der individuelle Hochmuth mischt sich hinein, er spricht weniger von seinem Lande, als von sich, seinem Vater und seinem ältesten Sohne, von seinem Geschäft und seinem Folio in der Bank von New-York. Jch begreife nicht, wie man zu gleicher Zeit ein so großer Christ und ein so großer Prahlhans seyn kann. John Bull lügt auch, aber nicht aus Jnteresse, sondern weil es ihm Spaß macht, Jemanden etwas aufzuhängen.</p>
        <p>Doch ist es unsere Absicht, später, wenn wir die einzelnen Volkszustände unsre Revue passiren lassen, auf Nordamerika wieder zurückzukommen. Hier betrachteten wir nur die Stellung der Union zu dem allgemeinen Charakter der Gegenwart und suchten Momente herauszuscheiden, welche für den Universalismus der Geschichte von Bedeutung hätten seyn können. Wir haben gefunden, daß Amerika den Namen der neuen Welt recht gern verdient, aber nicht den der besten. Wir sind weit entfernt geblieben, die Zukunft Europa&#x2019;s an die seiner Nebenbuhlerin zu knüpfen. Und dennoch drängt sich mir am Schlusse dieser Betrachtung der Gedanke auf, als ob das innere Wesen beider Welttheile nicht einen Coincidenzpunkt hätte, der sie einander näher bringen müßte? Das ist die Gewaltthätigkeit, die Tyrannei hier wie dort in den Fragen, welche die Existenz entscheiden, in Amerika die Sklaverei. Die Sklaverei ist ein Element im Leben Nordamerika&#x2019;s, welches Analogien mit europäischen Zuständen zuläßt: der Feudalismus
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0177] entschuldigen dürfte. Der individuelle Hochmuth mischt sich hinein, er spricht weniger von seinem Lande, als von sich, seinem Vater und seinem ältesten Sohne, von seinem Geschäft und seinem Folio in der Bank von New-York. Jch begreife nicht, wie man zu gleicher Zeit ein so großer Christ und ein so großer Prahlhans seyn kann. John Bull lügt auch, aber nicht aus Jnteresse, sondern weil es ihm Spaß macht, Jemanden etwas aufzuhängen. Doch ist es unsere Absicht, später, wenn wir die einzelnen Volkszustände unsre Revue passiren lassen, auf Nordamerika wieder zurückzukommen. Hier betrachteten wir nur die Stellung der Union zu dem allgemeinen Charakter der Gegenwart und suchten Momente herauszuscheiden, welche für den Universalismus der Geschichte von Bedeutung hätten seyn können. Wir haben gefunden, daß Amerika den Namen der neuen Welt recht gern verdient, aber nicht den der besten. Wir sind weit entfernt geblieben, die Zukunft Europa’s an die seiner Nebenbuhlerin zu knüpfen. Und dennoch drängt sich mir am Schlusse dieser Betrachtung der Gedanke auf, als ob das innere Wesen beider Welttheile nicht einen Coincidenzpunkt hätte, der sie einander näher bringen müßte? Das ist die Gewaltthätigkeit, die Tyrannei hier wie dort in den Fragen, welche die Existenz entscheiden, in Amerika die Sklaverei. Die Sklaverei ist ein Element im Leben Nordamerika’s, welches Analogien mit europäischen Zuständen zuläßt: der Feudalismus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/177
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/177>, abgerufen am 29.04.2024.