Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

unter diesen Umständen zurück. Das Daseyn, das er sich fristet, ist kümmerlich genug.

Die Malthus'sche Theorie und die Debatten, welche sie veranlaßte, ist hier nicht der Ort, weitläufig wiederzugeben. Malthus hat gesagt: Die Menschen vermehren sich in dem Verhältnisse von 1, 2, 4, 8, 16, die Nahrungsmittel aber nur wie 1, 2, 3, 4, 5 u. s. w. Seine Gegner haben den ersten und den zweiten Satz angegriffen. Jener ist beschränkt, dieser erweitert worden. Dort hat man die außerordentlichen Fälle mit in Anschlag gebracht, hier auf die Meinung sich gestemmt, man könne die Natur potenziren. Eine dritte Meinung war die, daß die Vorsehung schon der Natur selbst den Trieb eingepflanzt hätte, sich wechselseitig auszugleichen und Mögliches nur an Mögliches zu reihen. Diese letztere Ansicht, so richtig sie mir scheint, hat aber auch übersehen, daß die Mittel, welche die Natur braucht, ein solches Gleichgewicht des Bodens und der Menschen herzustellen, natürliche, d. h. keine moralischen, sondern grausame genug sind. Eben diese grausame Reaktion der Natur zu vermeiden, darum handelt es sich in dieser wichtigen Menschheitsfrage.

Das Maß der Bevölkerung ist die Möglichkeit, sich zu ernähren. Das Maß der Ernährung ist wieder die Natur in dem, was ihre Mittel vermögen. Die ungeheure Complication der neuern Existenzmittel, die künstlichen Nothwendigkeiten, welche durch Luxus, Jndustrie, Handel, Wissenschaft und den weitverzweigtesten Forma-

unter diesen Umständen zurück. Das Daseyn, das er sich fristet, ist kümmerlich genug.

Die Malthus’sche Theorie und die Debatten, welche sie veranlaßte, ist hier nicht der Ort, weitläufig wiederzugeben. Malthus hat gesagt: Die Menschen vermehren sich in dem Verhältnisse von 1, 2, 4, 8, 16, die Nahrungsmittel aber nur wie 1, 2, 3, 4, 5 u. s. w. Seine Gegner haben den ersten und den zweiten Satz angegriffen. Jener ist beschränkt, dieser erweitert worden. Dort hat man die außerordentlichen Fälle mit in Anschlag gebracht, hier auf die Meinung sich gestemmt, man könne die Natur potenziren. Eine dritte Meinung war die, daß die Vorsehung schon der Natur selbst den Trieb eingepflanzt hätte, sich wechselseitig auszugleichen und Mögliches nur an Mögliches zu reihen. Diese letztere Ansicht, so richtig sie mir scheint, hat aber auch übersehen, daß die Mittel, welche die Natur braucht, ein solches Gleichgewicht des Bodens und der Menschen herzustellen, natürliche, d. h. keine moralischen, sondern grausame genug sind. Eben diese grausame Reaktion der Natur zu vermeiden, darum handelt es sich in dieser wichtigen Menschheitsfrage.

Das Maß der Bevölkerung ist die Möglichkeit, sich zu ernähren. Das Maß der Ernährung ist wieder die Natur in dem, was ihre Mittel vermögen. Die ungeheure Complication der neuern Existenzmittel, die künstlichen Nothwendigkeiten, welche durch Luxus, Jndustrie, Handel, Wissenschaft und den weitverzweigtesten Forma-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0214" n="186"/>
unter diesen Umständen zurück. Das Daseyn, das er sich fristet, ist kümmerlich genug.</p>
        <p>Die Malthus&#x2019;sche Theorie und die Debatten, welche sie veranlaßte, ist hier nicht der Ort, weitläufig wiederzugeben. Malthus hat gesagt: Die Menschen vermehren sich in dem Verhältnisse von 1, 2, 4, 8, 16, die Nahrungsmittel aber nur wie 1, 2, 3, 4, 5 u. s. w. Seine Gegner haben den ersten und den zweiten Satz angegriffen. Jener ist beschränkt, dieser erweitert worden. Dort hat man die außerordentlichen Fälle mit in Anschlag gebracht, hier auf die Meinung sich gestemmt, man könne die Natur potenziren. Eine dritte Meinung war die, daß die Vorsehung schon der Natur selbst den Trieb eingepflanzt hätte, sich wechselseitig auszugleichen und Mögliches nur an Mögliches zu reihen. Diese letztere Ansicht, so richtig sie mir scheint, hat aber auch übersehen, daß die <hi rendition="#g">Mittel</hi>, welche die Natur braucht, ein solches Gleichgewicht des Bodens und der Menschen herzustellen, <hi rendition="#g">natürliche</hi>, d. h. keine moralischen, sondern grausame genug sind. Eben diese grausame Reaktion der Natur zu vermeiden, darum handelt es sich in dieser wichtigen Menschheitsfrage.</p>
        <p>Das Maß der Bevölkerung ist die Möglichkeit, sich zu ernähren. Das Maß der Ernährung ist wieder die Natur in dem, was ihre Mittel vermögen. Die ungeheure Complication der neuern Existenzmittel, die künstlichen Nothwendigkeiten, welche durch Luxus, Jndustrie, Handel, Wissenschaft und den weitverzweigtesten Forma-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0214] unter diesen Umständen zurück. Das Daseyn, das er sich fristet, ist kümmerlich genug. Die Malthus’sche Theorie und die Debatten, welche sie veranlaßte, ist hier nicht der Ort, weitläufig wiederzugeben. Malthus hat gesagt: Die Menschen vermehren sich in dem Verhältnisse von 1, 2, 4, 8, 16, die Nahrungsmittel aber nur wie 1, 2, 3, 4, 5 u. s. w. Seine Gegner haben den ersten und den zweiten Satz angegriffen. Jener ist beschränkt, dieser erweitert worden. Dort hat man die außerordentlichen Fälle mit in Anschlag gebracht, hier auf die Meinung sich gestemmt, man könne die Natur potenziren. Eine dritte Meinung war die, daß die Vorsehung schon der Natur selbst den Trieb eingepflanzt hätte, sich wechselseitig auszugleichen und Mögliches nur an Mögliches zu reihen. Diese letztere Ansicht, so richtig sie mir scheint, hat aber auch übersehen, daß die Mittel, welche die Natur braucht, ein solches Gleichgewicht des Bodens und der Menschen herzustellen, natürliche, d. h. keine moralischen, sondern grausame genug sind. Eben diese grausame Reaktion der Natur zu vermeiden, darum handelt es sich in dieser wichtigen Menschheitsfrage. Das Maß der Bevölkerung ist die Möglichkeit, sich zu ernähren. Das Maß der Ernährung ist wieder die Natur in dem, was ihre Mittel vermögen. Die ungeheure Complication der neuern Existenzmittel, die künstlichen Nothwendigkeiten, welche durch Luxus, Jndustrie, Handel, Wissenschaft und den weitverzweigtesten Forma-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/214
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/214>, abgerufen am 02.05.2024.