Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

fähig sind! Es bedarf schon einer ganz eignen Wendung der Dinge, wenn unser Gewürzkrämer die Sache der bestehenden Ordnung vertheidigen soll. Er muß dann ein kleines Gut haben, welches er von einem Pair des Königreichs in Pacht nahm; er muß an eine nahgelegene Gutsherrschaft Waarenlieferungen haben oder einen Sohn, der auf dem Colleg mit einem Seitenverwandten Peel's Freundschaft geschlossen hat, und durch diesen dereinst eine Pfründe oder ein einträgliches Richteramt erwartet. Jn diesem Falle wird unser Gewürzkrämer eben so conservativ, wie im entgegengesetzten reformistisch gesinnt. Jn diesem Fall hat er gleichfalls seine Klubbs, die ihm blind ergeben sind, und dann noch weit mehr, wenn er mit geheimnißvoller Miene sie grüßen kann und erzählen, er hätte einen Brief aus dem Colleg bekommen und sein Sohn hätte darin etwas fallen lassen, was ein geschickter Wähler wohl aufheben müsse. Kurz, hier geben persönliche Verhältnisse die Entscheidung und können die Gesinnung so lange aufrecht erhalten, bis einige Tage vor der entscheidenden Wahl ein Wagen vor das Haus gefahren kömmt, der Händedruck, Stimmzettel und Geld bringt. Man kann es nicht verschweigen, die Allgemeinheit des Stimmrechts in England hat große Vorzüge vor dem privilegirten Wahlcensus in Frankreich; allein es bahnt der Bestechung in einem Grade den Weg, wie in Frankreich, wo nur Begüterte wählen, dieß wenigstens auf plumpe und ganz materielle Weise nicht möglich ist. Freilich hat auch die französische

fähig sind! Es bedarf schon einer ganz eignen Wendung der Dinge, wenn unser Gewürzkrämer die Sache der bestehenden Ordnung vertheidigen soll. Er muß dann ein kleines Gut haben, welches er von einem Pair des Königreichs in Pacht nahm; er muß an eine nahgelegene Gutsherrschaft Waarenlieferungen haben oder einen Sohn, der auf dem Colleg mit einem Seitenverwandten Peel’s Freundschaft geschlossen hat, und durch diesen dereinst eine Pfründe oder ein einträgliches Richteramt erwartet. Jn diesem Falle wird unser Gewürzkrämer eben so conservativ, wie im entgegengesetzten reformistisch gesinnt. Jn diesem Fall hat er gleichfalls seine Klubbs, die ihm blind ergeben sind, und dann noch weit mehr, wenn er mit geheimnißvoller Miene sie grüßen kann und erzählen, er hätte einen Brief aus dem Colleg bekommen und sein Sohn hätte darin etwas fallen lassen, was ein geschickter Wähler wohl aufheben müsse. Kurz, hier geben persönliche Verhältnisse die Entscheidung und können die Gesinnung so lange aufrecht erhalten, bis einige Tage vor der entscheidenden Wahl ein Wagen vor das Haus gefahren kömmt, der Händedruck, Stimmzettel und Geld bringt. Man kann es nicht verschweigen, die Allgemeinheit des Stimmrechts in England hat große Vorzüge vor dem privilegirten Wahlcensus in Frankreich; allein es bahnt der Bestechung in einem Grade den Weg, wie in Frankreich, wo nur Begüterte wählen, dieß wenigstens auf plumpe und ganz materielle Weise nicht möglich ist. Freilich hat auch die französische

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0315" n="287"/>
fähig sind! Es bedarf schon einer ganz eignen Wendung der Dinge, wenn unser Gewürzkrämer die Sache der bestehenden Ordnung vertheidigen soll. Er muß dann ein kleines Gut haben, welches er von einem Pair des Königreichs in Pacht nahm; er muß an eine nahgelegene Gutsherrschaft Waarenlieferungen haben oder einen Sohn, der auf dem Colleg mit einem Seitenverwandten Peel&#x2019;s Freundschaft geschlossen hat, und durch diesen dereinst eine Pfründe oder ein einträgliches Richteramt erwartet. Jn diesem Falle wird unser Gewürzkrämer eben so conservativ, wie im entgegengesetzten reformistisch gesinnt. Jn diesem Fall hat er gleichfalls seine Klubbs, die ihm blind ergeben sind, und dann noch weit mehr, wenn er mit geheimnißvoller Miene sie grüßen kann und erzählen, er hätte einen Brief aus dem Colleg bekommen und sein Sohn hätte darin etwas fallen lassen, was ein geschickter Wähler wohl aufheben müsse. Kurz, hier geben persönliche Verhältnisse die Entscheidung und können die Gesinnung so lange aufrecht erhalten, bis einige Tage vor der entscheidenden Wahl ein Wagen vor das Haus gefahren kömmt, der Händedruck, Stimmzettel und Geld bringt. Man kann es nicht verschweigen, die Allgemeinheit des Stimmrechts in England hat große Vorzüge vor dem privilegirten Wahlcensus in Frankreich; allein es bahnt der Bestechung in einem Grade den Weg, wie in Frankreich, wo nur Begüterte wählen, dieß wenigstens auf plumpe und ganz materielle Weise nicht möglich ist. Freilich hat auch die französische
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0315] fähig sind! Es bedarf schon einer ganz eignen Wendung der Dinge, wenn unser Gewürzkrämer die Sache der bestehenden Ordnung vertheidigen soll. Er muß dann ein kleines Gut haben, welches er von einem Pair des Königreichs in Pacht nahm; er muß an eine nahgelegene Gutsherrschaft Waarenlieferungen haben oder einen Sohn, der auf dem Colleg mit einem Seitenverwandten Peel’s Freundschaft geschlossen hat, und durch diesen dereinst eine Pfründe oder ein einträgliches Richteramt erwartet. Jn diesem Falle wird unser Gewürzkrämer eben so conservativ, wie im entgegengesetzten reformistisch gesinnt. Jn diesem Fall hat er gleichfalls seine Klubbs, die ihm blind ergeben sind, und dann noch weit mehr, wenn er mit geheimnißvoller Miene sie grüßen kann und erzählen, er hätte einen Brief aus dem Colleg bekommen und sein Sohn hätte darin etwas fallen lassen, was ein geschickter Wähler wohl aufheben müsse. Kurz, hier geben persönliche Verhältnisse die Entscheidung und können die Gesinnung so lange aufrecht erhalten, bis einige Tage vor der entscheidenden Wahl ein Wagen vor das Haus gefahren kömmt, der Händedruck, Stimmzettel und Geld bringt. Man kann es nicht verschweigen, die Allgemeinheit des Stimmrechts in England hat große Vorzüge vor dem privilegirten Wahlcensus in Frankreich; allein es bahnt der Bestechung in einem Grade den Weg, wie in Frankreich, wo nur Begüterte wählen, dieß wenigstens auf plumpe und ganz materielle Weise nicht möglich ist. Freilich hat auch die französische

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/315
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/315>, abgerufen am 15.05.2024.