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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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über. Leider artete die römische Jurisprudenz in eitel Haarspalten aus, und ließ, obwohl im Grunde ihres Ursprungs gegen den Despotismus sehr feindselig gestimmt, ihm dennoch zuletzt allen Schein des Rechtes, ein Zugeständniß, welches durch das gehorsame und der Fürsten höchst benöthigte Christenthum ein wahrhaft öffentliches und historisches Unglück wurde.

Dieser zur Sklaverei führende Jmpuls der Geschichte hielt das germanische Staatsleben auf, welches allmählig in Deutschland, in Skandinavien, in England und durch Deutschland und England auch in Frankreich sich bis zu klaren Vorstellungen über die Berechtigungen zu politischer Gewalt ausbildete. Die Könige, aus der Mitte gleichberechtigter Pairs gewählt und oft weit geringfügigern Ursprungs, als die, welche ihre Vasallen wurden, mußten sich durch Verträge in den Stand setzen, ihre Würde behaupten zu können, mußten die Mittel, die sie zur Herrschaft brauchten, durch Zugeständniß ständischer Rechte erkaufen, und hatten, um nicht von den ihnen zunächst stehenden Würdeträgern erdrückt zu werden, immer nöthig, die Macht der Einen gegen die der Andern zu stärken. Erst, als im Zeitalter der Richelieu und Mazarin die souveräne Gewalt der Fürsten den Feudalismus bändigte, erst da verwandelte sich diese Politik, die Einen gegen die Andern zu stärken, in die entgegengesetzte, die Einen gegen die Andern zu schwächen. Die Parlamenter verloren, seitdem Ludwig XJV. mit der Reitpeitsche in sie kam, ihre Wirksamkeit, und das Wesen der konstitutionellen

über. Leider artete die römische Jurisprudenz in eitel Haarspalten aus, und ließ, obwohl im Grunde ihres Ursprungs gegen den Despotismus sehr feindselig gestimmt, ihm dennoch zuletzt allen Schein des Rechtes, ein Zugeständniß, welches durch das gehorsame und der Fürsten höchst benöthigte Christenthum ein wahrhaft öffentliches und historisches Unglück wurde.

Dieser zur Sklaverei führende Jmpuls der Geschichte hielt das germanische Staatsleben auf, welches allmählig in Deutschland, in Skandinavien, in England und durch Deutschland und England auch in Frankreich sich bis zu klaren Vorstellungen über die Berechtigungen zu politischer Gewalt ausbildete. Die Könige, aus der Mitte gleichberechtigter Pairs gewählt und oft weit geringfügigern Ursprungs, als die, welche ihre Vasallen wurden, mußten sich durch Verträge in den Stand setzen, ihre Würde behaupten zu können, mußten die Mittel, die sie zur Herrschaft brauchten, durch Zugeständniß ständischer Rechte erkaufen, und hatten, um nicht von den ihnen zunächst stehenden Würdeträgern erdrückt zu werden, immer nöthig, die Macht der Einen gegen die der Andern zu stärken. Erst, als im Zeitalter der Richelieu und Mazarin die souveräne Gewalt der Fürsten den Feudalismus bändigte, erst da verwandelte sich diese Politik, die Einen gegen die Andern zu stärken, in die entgegengesetzte, die Einen gegen die Andern zu schwächen. Die Parlamenter verloren, seitdem Ludwig XJV. mit der Reitpeitsche in sie kam, ihre Wirksamkeit, und das Wesen der konstitutionellen

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[298/0326] über. Leider artete die römische Jurisprudenz in eitel Haarspalten aus, und ließ, obwohl im Grunde ihres Ursprungs gegen den Despotismus sehr feindselig gestimmt, ihm dennoch zuletzt allen Schein des Rechtes, ein Zugeständniß, welches durch das gehorsame und der Fürsten höchst benöthigte Christenthum ein wahrhaft öffentliches und historisches Unglück wurde. Dieser zur Sklaverei führende Jmpuls der Geschichte hielt das germanische Staatsleben auf, welches allmählig in Deutschland, in Skandinavien, in England und durch Deutschland und England auch in Frankreich sich bis zu klaren Vorstellungen über die Berechtigungen zu politischer Gewalt ausbildete. Die Könige, aus der Mitte gleichberechtigter Pairs gewählt und oft weit geringfügigern Ursprungs, als die, welche ihre Vasallen wurden, mußten sich durch Verträge in den Stand setzen, ihre Würde behaupten zu können, mußten die Mittel, die sie zur Herrschaft brauchten, durch Zugeständniß ständischer Rechte erkaufen, und hatten, um nicht von den ihnen zunächst stehenden Würdeträgern erdrückt zu werden, immer nöthig, die Macht der Einen gegen die der Andern zu stärken. Erst, als im Zeitalter der Richelieu und Mazarin die souveräne Gewalt der Fürsten den Feudalismus bändigte, erst da verwandelte sich diese Politik, die Einen gegen die Andern zu stärken, in die entgegengesetzte, die Einen gegen die Andern zu schwächen. Die Parlamenter verloren, seitdem Ludwig XJV. mit der Reitpeitsche in sie kam, ihre Wirksamkeit, und das Wesen der konstitutionellen

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/326>, abgerufen am 15.05.2024.