Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Talente gegeben hat; aber leider auch ein Beispiel, von dem ich nicht glauben kann, daß es günstig auf Frankreichs Zunkunft wirken wird. Thiers war nicht einmal Advokat, er war nur das, was man in Frankreich homme de lettres nennt, ein Magister der sieben freien Künste, der Geschichte, Poesie, Beredsamkeit studirt hatte. Um sich bekannt zu machen, wählte er einen Stoff, wo es keine staubigen Archive zu untersuchen gab, wo man weder Sprachen noch Wissenschaften brauchte, sondern mit konsequenter Gesinnung, mit scharfer Verstandeskombination und vor allen Dingen mit einem guten Style grade das Erwünschte erreichen konnte. On ne reussit que par le succes, sagt ein französischer Schriftsteller und der Erfolg war für Thiers glänzend genug. Er wurde anfangs homme d'etat du journalisme, grand diplomate des vierten Stocks, bis ihn die Julirevolution auf das Niveau seines Ruhmes hob und ihm in kurzer Zeit das Hotel eines Ministers zur Behausung gab. Dieß Streben liegt allen jenen ehrgeizigen Federn zu Grunde, welche sich so viel Kenntnisse gesammelt haben, um einen hübschen Artikel redigiren zu können. Hat Guizot einen andern Ursprung als Thiers? Nein, sein Geizen hat nur länger gedauert, bis es von einem Erfolge gekrönt ist. Er kennt die Schwächen aller dieser an den Journalen sich hinaufrankenden Staatsmänner in spe, er wirft ihnen Pensionen, Beamtenstellen, akademische Sitze zu; denen, welche er zunächst brauchen kann, Portefeuilles, Unter-Staatssekretariate und ähnliche Gunstbezeugungen, die

Talente gegeben hat; aber leider auch ein Beispiel, von dem ich nicht glauben kann, daß es günstig auf Frankreichs Zunkunft wirken wird. Thiers war nicht einmal Advokat, er war nur das, was man in Frankreich homme de lettres nennt, ein Magister der sieben freien Künste, der Geschichte, Poesie, Beredsamkeit studirt hatte. Um sich bekannt zu machen, wählte er einen Stoff, wo es keine staubigen Archive zu untersuchen gab, wo man weder Sprachen noch Wissenschaften brauchte, sondern mit konsequenter Gesinnung, mit scharfer Verstandeskombination und vor allen Dingen mit einem guten Style grade das Erwünschte erreichen konnte. On ne reussit que par le succès, sagt ein französischer Schriftsteller und der Erfolg war für Thiers glänzend genug. Er wurde anfangs homme d’état du journalisme, grand diplomate des vierten Stocks, bis ihn die Julirevolution auf das Niveau seines Ruhmes hob und ihm in kurzer Zeit das Hotel eines Ministers zur Behausung gab. Dieß Streben liegt allen jenen ehrgeizigen Federn zu Grunde, welche sich so viel Kenntnisse gesammelt haben, um einen hübschen Artikel redigiren zu können. Hat Guizot einen andern Ursprung als Thiers? Nein, sein Geizen hat nur länger gedauert, bis es von einem Erfolge gekrönt ist. Er kennt die Schwächen aller dieser an den Journalen sich hinaufrankenden Staatsmänner in spe, er wirft ihnen Pensionen, Beamtenstellen, akademische Sitze zu; denen, welche er zunächst brauchen kann, Portefeuilles, Unter-Staatssekretariate und ähnliche Gunstbezeugungen, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="308"/>
Talente gegeben hat; aber leider auch ein Beispiel, von dem ich nicht glauben kann, daß es günstig auf Frankreichs Zunkunft wirken wird. Thiers war nicht einmal Advokat, er war nur das, was man in Frankreich <hi rendition="#aq">homme de lettres</hi> nennt, ein Magister der sieben freien Künste, der Geschichte, Poesie, Beredsamkeit studirt hatte. Um sich bekannt zu machen, wählte er einen Stoff, wo es keine staubigen Archive zu untersuchen gab, wo man weder Sprachen noch Wissenschaften brauchte, sondern mit konsequenter Gesinnung, mit scharfer Verstandeskombination und vor allen Dingen mit einem guten Style grade das Erwünschte erreichen konnte. <hi rendition="#aq">On ne reussit que par le succès,</hi> sagt ein französischer Schriftsteller und der Erfolg war für Thiers glänzend genug. Er wurde anfangs <hi rendition="#aq">homme d&#x2019;état du journalisme, grand diplomate</hi> des vierten Stocks, bis ihn die Julirevolution auf das Niveau seines Ruhmes hob und ihm in kurzer Zeit das Hotel eines Ministers zur Behausung gab. Dieß Streben liegt allen jenen ehrgeizigen Federn zu Grunde, welche sich so viel Kenntnisse gesammelt haben, um einen hübschen Artikel redigiren zu können. Hat Guizot einen andern Ursprung als Thiers? Nein, sein Geizen hat nur länger gedauert, bis es von einem Erfolge gekrönt ist. Er kennt die Schwächen aller dieser an den Journalen sich hinaufrankenden Staatsmänner <hi rendition="#aq">in spe,</hi> er wirft ihnen Pensionen, Beamtenstellen, akademische Sitze zu; denen, welche er zunächst brauchen kann, Portefeuilles, Unter-Staatssekretariate und ähnliche Gunstbezeugungen, die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0336] Talente gegeben hat; aber leider auch ein Beispiel, von dem ich nicht glauben kann, daß es günstig auf Frankreichs Zunkunft wirken wird. Thiers war nicht einmal Advokat, er war nur das, was man in Frankreich homme de lettres nennt, ein Magister der sieben freien Künste, der Geschichte, Poesie, Beredsamkeit studirt hatte. Um sich bekannt zu machen, wählte er einen Stoff, wo es keine staubigen Archive zu untersuchen gab, wo man weder Sprachen noch Wissenschaften brauchte, sondern mit konsequenter Gesinnung, mit scharfer Verstandeskombination und vor allen Dingen mit einem guten Style grade das Erwünschte erreichen konnte. On ne reussit que par le succès, sagt ein französischer Schriftsteller und der Erfolg war für Thiers glänzend genug. Er wurde anfangs homme d’état du journalisme, grand diplomate des vierten Stocks, bis ihn die Julirevolution auf das Niveau seines Ruhmes hob und ihm in kurzer Zeit das Hotel eines Ministers zur Behausung gab. Dieß Streben liegt allen jenen ehrgeizigen Federn zu Grunde, welche sich so viel Kenntnisse gesammelt haben, um einen hübschen Artikel redigiren zu können. Hat Guizot einen andern Ursprung als Thiers? Nein, sein Geizen hat nur länger gedauert, bis es von einem Erfolge gekrönt ist. Er kennt die Schwächen aller dieser an den Journalen sich hinaufrankenden Staatsmänner in spe, er wirft ihnen Pensionen, Beamtenstellen, akademische Sitze zu; denen, welche er zunächst brauchen kann, Portefeuilles, Unter-Staatssekretariate und ähnliche Gunstbezeugungen, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/336
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/336>, abgerufen am 15.05.2024.