Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

ist in der Politik, wie im Gebrauch der physischen Kraft; je mehr Concentration, desto mehr Energie. Ein Fechter, der tänzelt und herumspringt, ermüdet, und muß dann alle seine Vortheile an den, welcher still stand, wieder abtreten. - So lange Pozzo di Borgo in Paris am Ruder war, konnte die französische Presse mit Recht die Meinung verbreiten, daß sich Rußland fortwährend damit beschäftige, auf jeden ihrer kleinen Umtriebe, auf ihre Verdächtigung in allen Formaten zu achten.

Wir sagten schon, daß die russische Diplomatie eine Bildung besitzt, von der man nicht glauben kann, daß sie an der Newa erlernt ist; allein seit Herr von Pahlen in Paris ist, hat auch die pariser Presse wieder das Vorrecht, auf eigene Hand ihre blauen Geister zu sehen. Seitdem die russische Politik lakonischer und ernster geworden ist und der Umstand wegfällt, daß Pozzo di Borgo durch seine Geburt, Erziehung und Bildung verführt wurde, sich nur innerhalb französischer Manieren zu bewegen, hat sich auch das Balanciren zwischen Paris und Petersburg gelegt und dahin entschieden, daß Louis Philipp weit mehr hervortreten und von sich versprechen, daß er weit mehr seine Hinneigung zum Norden und seine Abneigung gegen die englische Allianz versichern mußte, wenn er Concessionen erlangen wollte, die ihm Pozzo di Borgo bisweilen gestattete, aber nur in solchen Fällen, daß z. B. bei einem Balle in Fontainebleau nur die Aristokratie und kein einziger Bürgerlicher eingeladen worden war.

Es scheint, daß sich die russische Diplomatie, so außer-

ist in der Politik, wie im Gebrauch der physischen Kraft; je mehr Concentration, desto mehr Energie. Ein Fechter, der tänzelt und herumspringt, ermüdet, und muß dann alle seine Vortheile an den, welcher still stand, wieder abtreten. – So lange Pozzo di Borgo in Paris am Ruder war, konnte die französische Presse mit Recht die Meinung verbreiten, daß sich Rußland fortwährend damit beschäftige, auf jeden ihrer kleinen Umtriebe, auf ihre Verdächtigung in allen Formaten zu achten.

Wir sagten schon, daß die russische Diplomatie eine Bildung besitzt, von der man nicht glauben kann, daß sie an der Newa erlernt ist; allein seit Herr von Pahlen in Paris ist, hat auch die pariser Presse wieder das Vorrecht, auf eigene Hand ihre blauen Geister zu sehen. Seitdem die russische Politik lakonischer und ernster geworden ist und der Umstand wegfällt, daß Pozzo di Borgo durch seine Geburt, Erziehung und Bildung verführt wurde, sich nur innerhalb französischer Manieren zu bewegen, hat sich auch das Balanciren zwischen Paris und Petersburg gelegt und dahin entschieden, daß Louis Philipp weit mehr hervortreten und von sich versprechen, daß er weit mehr seine Hinneigung zum Norden und seine Abneigung gegen die englische Allianz versichern mußte, wenn er Concessionen erlangen wollte, die ihm Pozzo di Borgo bisweilen gestattete, aber nur in solchen Fällen, daß z. B. bei einem Balle in Fontainebleau nur die Aristokratie und kein einziger Bürgerlicher eingeladen worden war.

Es scheint, daß sich die russische Diplomatie, so außer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0361" n="333"/>
ist in der Politik, wie im Gebrauch der physischen Kraft; je mehr Concentration, desto mehr Energie. Ein Fechter, der tänzelt und herumspringt, ermüdet, und muß dann alle seine Vortheile an den, welcher still stand, wieder abtreten. &#x2013; So lange Pozzo di Borgo in Paris am Ruder war, konnte die französische Presse mit Recht die Meinung verbreiten, daß sich Rußland fortwährend damit beschäftige, auf jeden ihrer kleinen Umtriebe, auf ihre Verdächtigung in allen Formaten zu achten.</p>
        <p>Wir sagten schon, daß die russische Diplomatie eine Bildung besitzt, von der man nicht glauben kann, daß sie an der Newa erlernt ist; allein seit Herr von Pahlen in Paris ist, hat auch die pariser Presse wieder das Vorrecht, auf eigene Hand ihre blauen Geister zu sehen. Seitdem die russische Politik lakonischer und ernster geworden ist und der Umstand wegfällt, daß Pozzo di Borgo durch seine Geburt, Erziehung und Bildung verführt wurde, sich nur innerhalb französischer Manieren zu bewegen, hat sich auch das Balanciren zwischen Paris und Petersburg gelegt und dahin entschieden, daß Louis Philipp weit mehr hervortreten und von sich versprechen, daß er weit mehr seine Hinneigung zum Norden und seine Abneigung gegen die englische Allianz versichern mußte, wenn er Concessionen erlangen wollte, die ihm Pozzo di Borgo bisweilen gestattete, aber nur in solchen Fällen, daß z. B. bei einem Balle in Fontainebleau nur die Aristokratie und kein einziger Bürgerlicher eingeladen worden war.</p>
        <p>Es scheint, daß sich die russische Diplomatie, so außer-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0361] ist in der Politik, wie im Gebrauch der physischen Kraft; je mehr Concentration, desto mehr Energie. Ein Fechter, der tänzelt und herumspringt, ermüdet, und muß dann alle seine Vortheile an den, welcher still stand, wieder abtreten. – So lange Pozzo di Borgo in Paris am Ruder war, konnte die französische Presse mit Recht die Meinung verbreiten, daß sich Rußland fortwährend damit beschäftige, auf jeden ihrer kleinen Umtriebe, auf ihre Verdächtigung in allen Formaten zu achten. Wir sagten schon, daß die russische Diplomatie eine Bildung besitzt, von der man nicht glauben kann, daß sie an der Newa erlernt ist; allein seit Herr von Pahlen in Paris ist, hat auch die pariser Presse wieder das Vorrecht, auf eigene Hand ihre blauen Geister zu sehen. Seitdem die russische Politik lakonischer und ernster geworden ist und der Umstand wegfällt, daß Pozzo di Borgo durch seine Geburt, Erziehung und Bildung verführt wurde, sich nur innerhalb französischer Manieren zu bewegen, hat sich auch das Balanciren zwischen Paris und Petersburg gelegt und dahin entschieden, daß Louis Philipp weit mehr hervortreten und von sich versprechen, daß er weit mehr seine Hinneigung zum Norden und seine Abneigung gegen die englische Allianz versichern mußte, wenn er Concessionen erlangen wollte, die ihm Pozzo di Borgo bisweilen gestattete, aber nur in solchen Fällen, daß z. B. bei einem Balle in Fontainebleau nur die Aristokratie und kein einziger Bürgerlicher eingeladen worden war. Es scheint, daß sich die russische Diplomatie, so außer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/361
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/361>, abgerufen am 15.05.2024.