Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert.

Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all' unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die

dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert.

Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all’ unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0373" n="345"/>
dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert.</p>
        <p>Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all&#x2019; unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0373] dressiren und sich ein Kostüm zu erfinden, welches an Kunstreiter erinnert. Wenn die gegenwärtigen Staaten einzig und allein auf solche Stützen gegründet wären, dann, möchte man glauben, würden sie bald zusammensinken, allein so zäh ist die menschliche Natur, so vorhaltend ist das Gleichgewicht bei jenen alten Gebäuden, welche hier und da schon nachgeben und sich gesenkt haben, daß man den Staat immer noch durch Hülfsmomente zusammenzuhalten hofft, wenn man auch die ganze Maschinerie vom obersten Premierminister bis zum untersten Sheriff und Huissier durchschaut. Würden aufgeklärte Denker ein Gemeinwesen vertheidigen können, das in seiner Zusammensetzung, in den Trägern seiner Begriffe eine so buntscheckige und unzusammenhängende Organisation darstellt, es vertheidigen können, wenn sich nicht über den Staat der Begriff festgesetzt hätte, daß er das nothwendige Organ all’ unsres Lebens, unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, ja sogar unsrer Wünsche und Hoffnungen ist? Diese Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer geregelten und konstituirten Geselligkeit, schützt unsre Staaten noch vor der allzu schnellen Annäherung ihres jüngsten Tages, und sichert denen, welche bei den Formalitäten des Staates betheiligt sind, die Muße, um für die nöthigen Fälle sich einzurichten und ihr Haus zu bestellen. Die Staaten werden bleiben, die Fürsten werden stets mit Pietät behandelt werden, allein die Maschine selbst könnte mancherlei Reparaturen bedürftig seyn. Vor allen Dingen muß die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/373
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/373>, abgerufen am 15.05.2024.