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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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veredeltes System der Erziehung begründet; was jene glänzenden Geister, welche die Strahlenkrone des vorigen Jahrhunderts bilden und die ihm sein eigenthümliches Lüstre gaben, über Menschenerziehung gesagt haben, hat so viel guten Grund, daß wir schwerlich früher über den Gegenstand etwas Neues aufstellen dürfen, ehe wir nicht ihre Vorschriften vollständig erfüllt zu haben uns rühmen können. Wie wir überhaupt nur für die Jdeen des vorigen Jahrhunderts in unsrer Zeit die Anwendung, für die alten Jdeenklingen die neuen praktischen Stiele und Griffe suchen, so haben wir auch die Erziehungstheorien jener Zeit jetzt durch bessere Schuleinrichtungen zu verwirklichen gesucht; allein neue Wahrheiten über das Verhältniß des Kindes zu seinen Eltern und zu seiner eignen Zukunft wurden nicht entdeckt. Wie sollte dieß auch, da die öffentlichen Thatsachen wahrlich nicht von der Art sind, daß sie die einfache Lehre von der abstrakten Menschenwürde, welche der Philosophie des vorigen Jahrhunderts zum Grunde liegt, hätten ersetzen können. Welche historischen Resultate haben wir gewonnen, um daran die Schößlinge der Erziehung aufzuranken; wir hörten Begebenheiten über unsern Häuptern wegrauschen, wir sahen Charaktere, welche die Fahne ergriffen und, die Brust den Kugeln der Feinde zugewandt, in die Bresche stiegen. Wir folgten selbst nach, begeistert für irgend ein Symbol, für eine Farbe, ein Losungswort; allein noch ist unsre Philosophie nicht zu der Grausamkeit gesteigert, daß wir von der Jugend blos verlangten, sie

veredeltes System der Erziehung begründet; was jene glänzenden Geister, welche die Strahlenkrone des vorigen Jahrhunderts bilden und die ihm sein eigenthümliches Lüstre gaben, über Menschenerziehung gesagt haben, hat so viel guten Grund, daß wir schwerlich früher über den Gegenstand etwas Neues aufstellen dürfen, ehe wir nicht ihre Vorschriften vollständig erfüllt zu haben uns rühmen können. Wie wir überhaupt nur für die Jdeen des vorigen Jahrhunderts in unsrer Zeit die Anwendung, für die alten Jdeenklingen die neuen praktischen Stiele und Griffe suchen, so haben wir auch die Erziehungstheorien jener Zeit jetzt durch bessere Schuleinrichtungen zu verwirklichen gesucht; allein neue Wahrheiten über das Verhältniß des Kindes zu seinen Eltern und zu seiner eignen Zukunft wurden nicht entdeckt. Wie sollte dieß auch, da die öffentlichen Thatsachen wahrlich nicht von der Art sind, daß sie die einfache Lehre von der abstrakten Menschenwürde, welche der Philosophie des vorigen Jahrhunderts zum Grunde liegt, hätten ersetzen können. Welche historischen Resultate haben wir gewonnen, um daran die Schößlinge der Erziehung aufzuranken; wir hörten Begebenheiten über unsern Häuptern wegrauschen, wir sahen Charaktere, welche die Fahne ergriffen und, die Brust den Kugeln der Feinde zugewandt, in die Bresche stiegen. Wir folgten selbst nach, begeistert für irgend ein Symbol, für eine Farbe, ein Losungswort; allein noch ist unsre Philosophie nicht zu der Grausamkeit gesteigert, daß wir von der Jugend blos verlangten, sie

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veredeltes System der Erziehung begründet; was jene glänzenden Geister, welche die Strahlenkrone des vorigen Jahrhunderts bilden und die ihm sein eigenthümliches Lüstre gaben, über Menschenerziehung gesagt haben, hat so viel guten Grund, daß wir schwerlich früher über den Gegenstand etwas Neues aufstellen dürfen, ehe wir nicht ihre Vorschriften vollständig erfüllt zu haben uns rühmen können. Wie wir überhaupt nur für die Jdeen des vorigen Jahrhunderts in unsrer Zeit die Anwendung, für die alten Jdeenklingen die neuen praktischen Stiele und Griffe suchen, so haben wir auch die Erziehungstheorien jener Zeit jetzt durch bessere Schuleinrichtungen zu verwirklichen gesucht; allein neue Wahrheiten über das Verhältniß des Kindes zu seinen Eltern und zu seiner eignen Zukunft wurden nicht entdeckt. Wie sollte dieß auch, da die öffentlichen Thatsachen wahrlich nicht von der Art sind, daß sie die einfache Lehre von der abstrakten Menschenwürde, welche der Philosophie des vorigen Jahrhunderts zum Grunde liegt, hätten ersetzen können. Welche historischen Resultate haben wir gewonnen, um daran die Schößlinge der Erziehung aufzuranken; wir hörten Begebenheiten über unsern Häuptern wegrauschen, wir sahen Charaktere, welche die Fahne ergriffen und, die Brust den Kugeln der Feinde zugewandt, in die Bresche stiegen. Wir folgten selbst nach, begeistert für irgend ein Symbol, für eine Farbe, ein Losungswort; allein noch ist unsre Philosophie nicht zu der Grausamkeit gesteigert, daß wir von der Jugend blos verlangten, sie
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[351/0379] veredeltes System der Erziehung begründet; was jene glänzenden Geister, welche die Strahlenkrone des vorigen Jahrhunderts bilden und die ihm sein eigenthümliches Lüstre gaben, über Menschenerziehung gesagt haben, hat so viel guten Grund, daß wir schwerlich früher über den Gegenstand etwas Neues aufstellen dürfen, ehe wir nicht ihre Vorschriften vollständig erfüllt zu haben uns rühmen können. Wie wir überhaupt nur für die Jdeen des vorigen Jahrhunderts in unsrer Zeit die Anwendung, für die alten Jdeenklingen die neuen praktischen Stiele und Griffe suchen, so haben wir auch die Erziehungstheorien jener Zeit jetzt durch bessere Schuleinrichtungen zu verwirklichen gesucht; allein neue Wahrheiten über das Verhältniß des Kindes zu seinen Eltern und zu seiner eignen Zukunft wurden nicht entdeckt. Wie sollte dieß auch, da die öffentlichen Thatsachen wahrlich nicht von der Art sind, daß sie die einfache Lehre von der abstrakten Menschenwürde, welche der Philosophie des vorigen Jahrhunderts zum Grunde liegt, hätten ersetzen können. Welche historischen Resultate haben wir gewonnen, um daran die Schößlinge der Erziehung aufzuranken; wir hörten Begebenheiten über unsern Häuptern wegrauschen, wir sahen Charaktere, welche die Fahne ergriffen und, die Brust den Kugeln der Feinde zugewandt, in die Bresche stiegen. Wir folgten selbst nach, begeistert für irgend ein Symbol, für eine Farbe, ein Losungswort; allein noch ist unsre Philosophie nicht zu der Grausamkeit gesteigert, daß wir von der Jugend blos verlangten, sie

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/379>, abgerufen am 29.04.2024.