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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Blumen stecken, die Sommer und Winter blühen! Wie herrlich die Fußdecken, die Tapeten, die Kronenleuchter, wie zart die Malerei auf dieser Schnupftabaksdose! Wahrlich, Kunst ist genug zerstreut um uns her; wir gleichen umgekehrt jenem Egyptier, welcher aus goldnen Nachttöpfen sich Götterstatuen bilden ließ; wir schmelzen die Götterstatuen in ästhetisch geformte Nachttöpfe um. Kann nun dieser Eklektizismus, diese frivole Vergeudung der schönen Kunstform irgend für den künstlerischen Genius, der nach der reinen Schöne trachtet und sie wie Phidias, Dante, Raphael und Erwin von Steinbach verkörpern möchte, eine Befruchtung seyn? Können ihn eure schönen Lampen und Krystallgläser zu einem Gemälde begeistern, welches die Transfiguration darstellen soll? Jn dieser Ueberfüllung unsres Lebens mit Kunst liegt eben so viel Hinderniß für die künstlerische Erziehung, wie in der zurückgesezten, weit von unsern Thoren verbannten wahren und ächten Natur.

Zu diesen Hindernissen in den Sachen kommen die Hindernisse der Personen. Die Gemüther der Masse sind dem Schönen nicht zugewandt. Die Verbindungsfäden, welche die Kunst mit den Jdeen, die auf die Masse wirken, zusammenhalten, sind zerschnitten oder gar nicht anwendbar. Die Religion hat sich von sinnlichen Einflüssen zu befreien gesucht, die Gemälde wurden vom theologischen Purismus aus den Kirchen verbannt, die Kunst wurde als eine Feindin

Blumen stecken, die Sommer und Winter blühen! Wie herrlich die Fußdecken, die Tapeten, die Kronenleuchter, wie zart die Malerei auf dieser Schnupftabaksdose! Wahrlich, Kunst ist genug zerstreut um uns her; wir gleichen umgekehrt jenem Egyptier, welcher aus goldnen Nachttöpfen sich Götterstatuen bilden ließ; wir schmelzen die Götterstatuen in ästhetisch geformte Nachttöpfe um. Kann nun dieser Eklektizismus, diese frivole Vergeudung der schönen Kunstform irgend für den künstlerischen Genius, der nach der reinen Schöne trachtet und sie wie Phidias, Dante, Raphael und Erwin von Steinbach verkörpern möchte, eine Befruchtung seyn? Können ihn eure schönen Lampen und Krystallgläser zu einem Gemälde begeistern, welches die Transfiguration darstellen soll? Jn dieser Ueberfüllung unsres Lebens mit Kunst liegt eben so viel Hinderniß für die künstlerische Erziehung, wie in der zurückgesezten, weit von unsern Thoren verbannten wahren und ächten Natur.

Zu diesen Hindernissen in den Sachen kommen die Hindernisse der Personen. Die Gemüther der Masse sind dem Schönen nicht zugewandt. Die Verbindungsfäden, welche die Kunst mit den Jdeen, die auf die Masse wirken, zusammenhalten, sind zerschnitten oder gar nicht anwendbar. Die Religion hat sich von sinnlichen Einflüssen zu befreien gesucht, die Gemälde wurden vom theologischen Purismus aus den Kirchen verbannt, die Kunst wurde als eine Feindin

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[243/0245] Blumen stecken, die Sommer und Winter blühen! Wie herrlich die Fußdecken, die Tapeten, die Kronenleuchter, wie zart die Malerei auf dieser Schnupftabaksdose! Wahrlich, Kunst ist genug zerstreut um uns her; wir gleichen umgekehrt jenem Egyptier, welcher aus goldnen Nachttöpfen sich Götterstatuen bilden ließ; wir schmelzen die Götterstatuen in ästhetisch geformte Nachttöpfe um. Kann nun dieser Eklektizismus, diese frivole Vergeudung der schönen Kunstform irgend für den künstlerischen Genius, der nach der reinen Schöne trachtet und sie wie Phidias, Dante, Raphael und Erwin von Steinbach verkörpern möchte, eine Befruchtung seyn? Können ihn eure schönen Lampen und Krystallgläser zu einem Gemälde begeistern, welches die Transfiguration darstellen soll? Jn dieser Ueberfüllung unsres Lebens mit Kunst liegt eben so viel Hinderniß für die künstlerische Erziehung, wie in der zurückgesezten, weit von unsern Thoren verbannten wahren und ächten Natur. Zu diesen Hindernissen in den Sachen kommen die Hindernisse der Personen. Die Gemüther der Masse sind dem Schönen nicht zugewandt. Die Verbindungsfäden, welche die Kunst mit den Jdeen, die auf die Masse wirken, zusammenhalten, sind zerschnitten oder gar nicht anwendbar. Die Religion hat sich von sinnlichen Einflüssen zu befreien gesucht, die Gemälde wurden vom theologischen Purismus aus den Kirchen verbannt, die Kunst wurde als eine Feindin

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/245>, abgerufen am 13.05.2024.