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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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in den goldnen Rahmen der Gemälde zu sehen, als in diesen selbst. Wenn ein Rothschild sich eine Villa anlegt, so wird er auf die Vergoldung der Thüren und Wandleisten so viel verwenden, als er brauchte, um einige Säle der Villa mit Freskobildern zu schmücken. Und nun vollends die Dichtkunst! Sie fiel so sehr im Preise, daß alle Welt sich mit ihr versucht. Die Dichtkunst, gerade die schwerste von Allen, wurde als die leichteste verstanden; die ganze Technik bestünde ja in nichts, als im Führen des Federkiels und im Sylbenabzählen an den Fingern! Die Dichtkunst, statt gesucht zu seyn, wird gefürchtet. Wenn irgend eine menschliche höhere Thätigkeit aus ihren Fugen gedrängt ist, so ist sie es, seitdem die politischen Fragen alle übrigen überragten und die Gemüther nur von Haß und Parteiwesen beherrscht wurden. Endlich die Jndustrie, die Runkelrübe, der Dampf, das Erstaunen über die Konstruktion der Maschinen - sind das für die Kunst willkommne Geschwister? Zahllose läugnen es durch die That; sie fallen eher vor einem Dampfkessel nieder mit Stempeln und Sicherheitsventilen, als vor einem Gemälde von Raphael. Der Zeitgeist läßt sich nicht wie eine Uhr rück- oder vorwärts stellen. Der herrschende Materialismus, wird er nicht aus dem Sinne für das Nützlichste, sondern leider schon für das Nothwendige herzuleiten seyn? Wir haben die Schwierigkeiten der Existenz schon geschildert und wollen nicht ungerecht

in den goldnen Rahmen der Gemälde zu sehen, als in diesen selbst. Wenn ein Rothschild sich eine Villa anlegt, so wird er auf die Vergoldung der Thüren und Wandleisten so viel verwenden, als er brauchte, um einige Säle der Villa mit Freskobildern zu schmücken. Und nun vollends die Dichtkunst! Sie fiel so sehr im Preise, daß alle Welt sich mit ihr versucht. Die Dichtkunst, gerade die schwerste von Allen, wurde als die leichteste verstanden; die ganze Technik bestünde ja in nichts, als im Führen des Federkiels und im Sylbenabzählen an den Fingern! Die Dichtkunst, statt gesucht zu seyn, wird gefürchtet. Wenn irgend eine menschliche höhere Thätigkeit aus ihren Fugen gedrängt ist, so ist sie es, seitdem die politischen Fragen alle übrigen überragten und die Gemüther nur von Haß und Parteiwesen beherrscht wurden. Endlich die Jndustrie, die Runkelrübe, der Dampf, das Erstaunen über die Konstruktion der Maschinen – sind das für die Kunst willkommne Geschwister? Zahllose läugnen es durch die That; sie fallen eher vor einem Dampfkessel nieder mit Stempeln und Sicherheitsventilen, als vor einem Gemälde von Raphael. Der Zeitgeist läßt sich nicht wie eine Uhr rück- oder vorwärts stellen. Der herrschende Materialismus, wird er nicht aus dem Sinne für das Nützlichste, sondern leider schon für das Nothwendige herzuleiten seyn? Wir haben die Schwierigkeiten der Existenz schon geschildert und wollen nicht ungerecht

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[245/0247] in den goldnen Rahmen der Gemälde zu sehen, als in diesen selbst. Wenn ein Rothschild sich eine Villa anlegt, so wird er auf die Vergoldung der Thüren und Wandleisten so viel verwenden, als er brauchte, um einige Säle der Villa mit Freskobildern zu schmücken. Und nun vollends die Dichtkunst! Sie fiel so sehr im Preise, daß alle Welt sich mit ihr versucht. Die Dichtkunst, gerade die schwerste von Allen, wurde als die leichteste verstanden; die ganze Technik bestünde ja in nichts, als im Führen des Federkiels und im Sylbenabzählen an den Fingern! Die Dichtkunst, statt gesucht zu seyn, wird gefürchtet. Wenn irgend eine menschliche höhere Thätigkeit aus ihren Fugen gedrängt ist, so ist sie es, seitdem die politischen Fragen alle übrigen überragten und die Gemüther nur von Haß und Parteiwesen beherrscht wurden. Endlich die Jndustrie, die Runkelrübe, der Dampf, das Erstaunen über die Konstruktion der Maschinen – sind das für die Kunst willkommne Geschwister? Zahllose läugnen es durch die That; sie fallen eher vor einem Dampfkessel nieder mit Stempeln und Sicherheitsventilen, als vor einem Gemälde von Raphael. Der Zeitgeist läßt sich nicht wie eine Uhr rück- oder vorwärts stellen. Der herrschende Materialismus, wird er nicht aus dem Sinne für das Nützlichste, sondern leider schon für das Nothwendige herzuleiten seyn? Wir haben die Schwierigkeiten der Existenz schon geschildert und wollen nicht ungerecht

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/247>, abgerufen am 14.05.2024.