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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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vorigen Jahrhunderts für die Unmündigen ein Rousseau erstand, jezt bald einen Rousseau für die Erwachsenen bringen müßte.

Das Spiel ist das Grab der Sorgen und die Wiege derselben, je nachdem es getrieben wird. Der Eine erstickt im Whist seine Leiden oder tödtet wenigstens das unendliche Wehe, das ihn peinigt, die Langeweile; der Andere verspielt nicht seine Unruhe, sondern seine Ruhe, oder wie Lord de Roos seine Ehre. Das Glück soll erobert werden, beim Einen durch die Sturmleitern der Leidenschaft, beim Andern durch einen solchen Handgriff, den sich im Spiele Menschen erlauben, welche sonst keine Ruhe über einen Schilling haben, der ihnen zu viel von einem Kaufmann gegeben worden ist. Das Spiel ist eine Erholung, weil es die Zeit ausfüllt und die kleinen Leidenschaften des Menschen nicht ermüden läßt. Klammert man sich aber an das Kleine an und sezt Großes daran, was man Großes nennt, nämlich bedeutende Summen Geldes, so richtet es in Mienen und Farbe der Haare, im Blick der Augen und Haltung des Körpers eine frühe Verwüstung an. Das Hazardspiel ist auf dem Weg, ausgerottet zu werden. Auch die Lotterien sind in Gefahr, nicht mehr gezogen zu werden. Die Humanität mancher Gesetzgeber stemmt sich gegen sie, wie gegen die Beibehaltung der Todesstrafe. Allein der Taumel, das Glück für sich zu beschwören, scheint tief in die Gemüther der Zeitgenossen eingedrungen

vorigen Jahrhunderts für die Unmündigen ein Rousseau erstand, jezt bald einen Rousseau für die Erwachsenen bringen müßte.

Das Spiel ist das Grab der Sorgen und die Wiege derselben, je nachdem es getrieben wird. Der Eine erstickt im Whist seine Leiden oder tödtet wenigstens das unendliche Wehe, das ihn peinigt, die Langeweile; der Andere verspielt nicht seine Unruhe, sondern seine Ruhe, oder wie Lord de Roos seine Ehre. Das Glück soll erobert werden, beim Einen durch die Sturmleitern der Leidenschaft, beim Andern durch einen solchen Handgriff, den sich im Spiele Menschen erlauben, welche sonst keine Ruhe über einen Schilling haben, der ihnen zu viel von einem Kaufmann gegeben worden ist. Das Spiel ist eine Erholung, weil es die Zeit ausfüllt und die kleinen Leidenschaften des Menschen nicht ermüden läßt. Klammert man sich aber an das Kleine an und sezt Großes daran, was man Großes nennt, nämlich bedeutende Summen Geldes, so richtet es in Mienen und Farbe der Haare, im Blick der Augen und Haltung des Körpers eine frühe Verwüstung an. Das Hazardspiel ist auf dem Weg, ausgerottet zu werden. Auch die Lotterien sind in Gefahr, nicht mehr gezogen zu werden. Die Humanität mancher Gesetzgeber stemmt sich gegen sie, wie gegen die Beibehaltung der Todesstrafe. Allein der Taumel, das Glück für sich zu beschwören, scheint tief in die Gemüther der Zeitgenossen eingedrungen

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[37/0039] vorigen Jahrhunderts für die Unmündigen ein Rousseau erstand, jezt bald einen Rousseau für die Erwachsenen bringen müßte. Das Spiel ist das Grab der Sorgen und die Wiege derselben, je nachdem es getrieben wird. Der Eine erstickt im Whist seine Leiden oder tödtet wenigstens das unendliche Wehe, das ihn peinigt, die Langeweile; der Andere verspielt nicht seine Unruhe, sondern seine Ruhe, oder wie Lord de Roos seine Ehre. Das Glück soll erobert werden, beim Einen durch die Sturmleitern der Leidenschaft, beim Andern durch einen solchen Handgriff, den sich im Spiele Menschen erlauben, welche sonst keine Ruhe über einen Schilling haben, der ihnen zu viel von einem Kaufmann gegeben worden ist. Das Spiel ist eine Erholung, weil es die Zeit ausfüllt und die kleinen Leidenschaften des Menschen nicht ermüden läßt. Klammert man sich aber an das Kleine an und sezt Großes daran, was man Großes nennt, nämlich bedeutende Summen Geldes, so richtet es in Mienen und Farbe der Haare, im Blick der Augen und Haltung des Körpers eine frühe Verwüstung an. Das Hazardspiel ist auf dem Weg, ausgerottet zu werden. Auch die Lotterien sind in Gefahr, nicht mehr gezogen zu werden. Die Humanität mancher Gesetzgeber stemmt sich gegen sie, wie gegen die Beibehaltung der Todesstrafe. Allein der Taumel, das Glück für sich zu beschwören, scheint tief in die Gemüther der Zeitgenossen eingedrungen

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/39>, abgerufen am 29.04.2024.